Wie du sportlicher wirst, indem du auf deinem Hintern sitzt

Höchstleistungen im Sport lassen sich nicht allein mit physischem Training erzielen. Viele Sportler und Trainer halten inzwischen einen anderen Aspekt für entscheidend: Die mentale Fitness.

von Alexandra Günther

Die Vorstellung, allein durch Dasitzen ein besserer Sportler zu werden, ist für viele unglaublich. Und zugegebenermaßen ist das auch etwas übertrieben. Denn natürlich hilft es nicht, sich nur hinzusetzen, um größere Erfolge im Sport zu erreichen. Voraussetzung für eine sportliche Top-Karriere ist natürlich immer noch ein gewisses Talent und gutes, regelmäßiges Training. Doch die Fähigkeit, sich mental zu fokussieren und zwischendurch auch richtig zu entspannen, spielt dabei eine größere Rolle als vielen klar ist.

Fast täglich erreichen uns Nachrichten, wie man die sportliche Leistung verbessern kann – ob durch längeres Stretching, Erwärmen der Muskeln in der Sauna oder eine bestimmte Ernährungsweise, die uns höher, schneller und weiter bringen soll. Doch in den letzten Jahren hat sich in der Welt der Supersportler eine Meinung durchgesetzt: Der Schlüssel zum Erfolg ist die mentale Leistung.

Körper und Geist trainieren

Zehn Prozent des sportlichen Erfolgs sind einem trainierten Körper zuzuschreiben, neunzig Prozent einem trainierten Geist – diese Aussage hat wohl jeder, der sich mit Sport befasst, in den letzten Jahren einmal gehört. Dr. Doug Gardner, Berater der Association for the Advancement of Applied Sport Psychology (AAASP) und Mitglied des Olympischen Komittees der USA spricht sogar von 100 Prozent. Seiner Meinung nach liegt der Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Leistungssportlern ausschließlich in der mentalen Stärke begründet. In der Praxis würde dieser Bereich aber viel zu häufig vernachlässigt. “My work with athletes is guided by one simple principle: For every physical and fundamental act in sport, there is an equally important and equally-related mental component which must be addressed. (...) In reality, sport is 100 percent mental. Our thoughts influence our actions and our actions influence our thoughts.” Erst wenn der zugrundeliegende Gedankenvorgang perfekt trainiert ist, kann man eine Höchstleistungen erzielen.

Das klassische sportpsychologische Training behandelt dabei verschiedene Bereiche wie Motivation, Selbstvertrauen, Konzentration, Wahrnehmung und Verarbeitung mit theoretischen und praktischen Übungen. Eine weitere Methode, um mentale Stärke zu üben: Achtsamkeit. Top Athleten wie der American Football Spieler Joe Namath, Tennis-Spieler Novak Djokovic, die (Ex-)NBA-Stars Michael Jordan und Kobe Bryant nutzen Achtsamkeit als psychologisches Training, um sportliche Spitzenleistungen erbringen zu können.

Durch Achtsamkeit zur Spitzenleistung: Flow, Konzentration und Kontrolle

Nicht nur unser Alltag wird immer schneller. Auch die Anforderungen an Leistungssportler sind in den letzten Jahren extrem gestiegen. Schaut man sich etwa ein Fußballspiel mit Gerd Müller an – ohne Frage ein Spitzensportler seiner Zeit–, wird es einem fast wie in Zeitlupe vorkommen. Heute hat ein Spieler nur noch einen Bruchteil der Zeit, um zu entscheiden, zu agieren und zu reagieren. Er muss also extrem schnell, flexibel und konzentriert sein. Um dabei zu unterstützen, setzen viele Trainer, wie der Ex-BVB-Coach Thomas Tuchel, auf ENT-schleunigung für BE-schleunigung. Warum das kein Widerspruch ist, erklären diese drei Faktoren:

1) Der Flow Zustand

Psychologen beobachteten den Flow-Zustand ursprünglich vor allem bei spielenden Kindern, die so im Spielfluss waren, dass sie ihre Mutter überhörten. Der Forscher Mihaly Csikzentmihalyi übertrug diese Erkenntnisse in den 1990er Jahren auf den Sport: Er definiert den Flow-Zustand als einen Zustand optimaler Performance. Der Sportler ist dann so im Moment, dass alles andere belanglos erscheint. Körper und Geist sind synchronisiert, negative Gedanken wie Versagensängste verschwinden. Stattdessen gibt es genügend Raum für die Freude an der sportlichen Aufgabe. Typischerweise entsteht dieser Zustand, wenn das Verhältnis zwischen den Herausforderungen der Situation und den Fähigkeiten einer Person ausbalanciert ist.

Ganz im Moment zu sein und sich selbstvergessen auf diesen konzentrieren – diese Vorgänge dürften einem bekannt vorkommen, wenn man sich mit Achtsamkeit beschäftigt. Und tatsächlich stellten Wissenschaftler fest, dass Flow-Zustand und Achtsamkeit sich überlappen. In ihrer Untersuchung betrachteten sie französische Schwimmer, Bogenschützen und Golfer sowie Läufer. Sie konnten nachweisen, dass die Sportler nach einem Achtsamkeitsprogramm häufiger einen Flow-Zustand erlebten. Achtsamkeit erleichtert also das Erleben eines Flows und – da dieser Zustand mit einer besseren sportlichen Leistung verbunden ist – eine optimale Performance.

**2) Attention, please! Oder auch: Högschde Konzentration **

Konzentration und Aufmerksamkeit sind Grundvoraussetzungen für sportliche Spitzenleistungen. Ist eine Fußballspielerin am Ball, muss sie ihre Aufmerksamkeit auf verschiedenste Dinge richten. Dabei sind unterschiedliche Bereiche der Aufmerksamkeit gefordert. Durch selektive Aufmerksamkeit kann sie zum Beispiel bei einem Pass die volle Aufmerksamkeit erst auf die Mitspielerin und dann auf den Ball lenken. Ähnlich wie ein Kompass sich ausrichtet, kann sie durch die orientierende Aufmerksamkeit ihren Schuss und die Richtung ihres Spiels aufmerksam planen und sich dabei sowohl auf die Gegen- und Mitspielerinnen als auch auf sich selbst konzentrieren. Die nachhaltige Aufmerksamkeit ermöglicht es, auch über einen so langen Zeitraum wie 45 Minuten pro Halbzeit Konzentration und Fokus aufrecht zu erhalten. Um bei allen Bereichen aufmerksam zu bleiben und den Fokus zu verschieben, ist es außerdem wichtig, dass die Aufmerksamkeit flexibel ist.

Schlüsselt man diese Aufmerksamkeitsvorgänge auf, hört sich das alles unglaublich anstrengend an. Das ist es tatsächlich auch, allerdings merken wir das nicht unbedingt direkt, denn diese Vorgänge laufen meist unbewusst ab. Unserem Gehirn fordern sie jedoch Höchstleistungen ab.

Achtsamkeitstraining macht es nachweislich leichter, diese Höchstleistungen zu erbringen. Die Untersuchungen des Sportwissenschaftlers Darko Jekauc der Humboldt Universität Berlin ergaben, dass regelmäßiges Achtsamkeitstraining sich auf die Aufmerksamkeit auswirkt. Achtsame Sportler können ihre Aufmerksamkeit leichter bewusst und unbewusst steuern und auch über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten. Durch Achtsamkeitstraining wird das Gehirn für bevorstehende Höchstleistungen vorbereitet.

3) Kontrolle: Wenn die Emotionen hochkochen

Gerade bei Teamsportarten schafft man es durch den schnellen Wechsel der Interaktionen meist ganz im Moment zu sein, ohne über Sieg und Niederlage nachzudenken. Kommt es dann aber zu einem entscheidenden Moment, beispielsweise zu Elfmeterschießen, können einem doch „die Nerven durchgehen“, und die Gefühle spielen sprichwörtlich verrückt. Das kann sich direkt auf die Leistung auswirken. So zeigten Wissenschaftler der Universität Toronto, dass schon das Betrachten von Bildern, die zum Beispiel Freude, Überraschung, Angst oder Ekel auslösen, Probanden in Denkaufgaben schlechter abschneiden lassen. Testpersonen, die schon länger Achtsamkeit praktizierten, ließen sich durch die entstehenden Emotionen aber nicht so leicht ablenken und konnten bei den Aufgaben bessere Ergebnisse erzielen.

Dieser Effekt von Achtsamkeitstrainings lässt sich auch im Sport nutzen. Achtsamkeit hilft dabei, negative Gefühle, wie Versagensängste oder Lampenfieber, zu reduzieren und positive Emotionen, wie den Spaß am Spiel, zu steigern. Bei Leistungssportlern konnte zudem festgestellt werden, dass sie ihre Chance zu gewinnen optimistischer einschätzen, und es in entscheidenden Momenten schafften, ihre Emotionen auszublenden.

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Fazit: Öfter mal hinsetzen statt schwitzen

Zusammenfassend lässt sich die Wirkung von Achtsamkeit beim Sport folgendermaßen beschreiben: Achtsamkeitstraining lässt den Sportler mehr Flow erleben, erhöht Konzentration und Aufmerksamkeit und hilft, ablenkende Emotionen zu kontrollieren. Letztlich führt das zu einer Gesamtverbesserung der sportlichen Leistung – gerade angesichts der Schnelligkeit und Komplexität des heutigen Leistungssports.

Eine sportliche Leistung verlangt also nicht nur dem Körper, sondern auch dem Gehirn viel ab. Niemand würde untrainiert an einem Marathon teilnehmen und dabei erwarten, dass er realistische Chancen auf den ersten Platz hat. Warum sollte man eine solche Leistung dann von seinem Gehirn erwarten?

Was du von Leistungssportlern lernen kannst, ist also, dass es für eine Verbesserung im Sport eben manchmal schon ausreicht, dir täglich einen Moment zu nehmen und einfach nur auf deinem Hintern zu sitzen. Denn du kannst Achtsamkeit als mentales Training nutzen, das nicht nur den Geist, sondern den Körper gleich mit trainiert.

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