5 Impulse für die Begegnung mit unserem inneren Kind

Schwierige Emotionen wie Wut und Trauer zeigen sich oft, wenn wir in Situationen kommen, die die Bedürfnisse unsers inneren Kindes wachrütteln. Aber was genau ist unser inneres Kind eigentlich und wie können wir es an die Hand nehmen?

Luzie Seidel

Vielen von uns fällt es schwer mit sich selbst in Berührung zu kommen und Bedürfnisse, Grenzen und Gefühle zu spüren. Wir sind so stark mit unserer Umwelt beschäftigt, dass wir uns selbst dabei manchmal total vergessen. Wir merken meist erst, dass etwas nicht ganz stimmt, wenn sich in uns eine Stimme traurig, wütend oder frustriert zu Wort meldet und wir uns emotional in vergangene Tage zurück versetzt fühlen. Diese Stimme ist die unseres inneren Kindes, dessen Sinnbild vielen von uns spätestens seit Stefanie Stahl ein Begriff ist. Wenn wir das Bedürfnis verspüren mit uns und unserem inneren Kind in Berührung zu kommen, kann uns Achtsamkeit eine wertvolle Stütze sein. Sie nimmt uns sanft am Arm und hält mit uns bewusst inne, um den Blick gezielt zu unserem jüngeren Ich zu lenken. Aber was hat es damit wirklich auf sich und wie können wir uns mit ihm versöhnen?

Was ist überhaupt das innere Kind?

Unser inneres Kind ist natürlich kein richtiges Kind, sondern ein Sinnbild und Symbol für die Muster des Fühlens, Denkens und Handelns, die sich in unserer Kindheit manifestiert haben. Die Dinge, die wir als Kind erleben, prägen uns maßgeblich und können bei uns Urvertrauen und dementsprechend eine Basis für sichere Bindungen bilden. Wir können aber auch Verletzungen, Kränkungen oder Vernachlässigung erfahren, die unser Verhalten, Denken und Fühlen negativ beeinflussen. Das sollte uns allerdings nicht entmutigen und den Anschein aufkommen lassen, dass Dinge unveränderlich und festgefahren sind. Schließlich sind wir als Menschen unglaublich anpassungsfähig und fluide und haben die Kraft uns und die Dinge, die uns wichtig sind, zu verändern.

Der Ursprung des inneren Kindes

Allem Anschein zum Trotz beruht das Modell des inneren Kindes nicht auf Stefanie Stahls Konzept, sondern auf der Arbeit der US-amerikanischen Psycholog:innen John Bradshaw, Margaret Paul und Erika Chopich. In den 70er und 80er Jahren entwickelten sie das Modell, um tiefenpsychologische und psychoanalytische Theorien durch die Visualisierung des “inneren Kindes” leichter verständlich zu machen und Zugänge zu schaffen. Seit den 1990ern bauen verschiedene und unabhängige Ansätze auf der Arbeit der drei Psycholog:innen auf. Auch in einigen anderen Therapieverfahren geht es darum, durch die Verwendung dieses Modells einen Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden oder dysfunktionale Glaubenssätze und Verhaltensmuster zu erkennen, die auf Kindheitserfahrungen zurückgehen.

Achtsamkeit und das innere Kind: 5 Impulse für die Begegnung

Achtsamkeit hilft uns nicht nur unseren Alltag zu entschleunigen und bewusst auf unsere Bedürfnisse und Grenzen zu achten. Sie kann uns auch den Wünschen unseres inneren Kindes näher bringen. Achtsamkeit und das innere Kind begegnen sich nämlich in der Sphäre zwischen Empathie, Selbstwahrnehmung und Verständnis. Die folgenden fünf Achtsamkeits-Impulse können uns unterstützen unsere Prägungen in unser Bewusstsein zu rufen und uns besser zu verstehen. Schaffe dir einen ruhigen Ort ohne Ablenkungen, zum Beispiel in deinem Schlaf- oder Wohnzimmer mit leicht abgedunkelten Fenstern. Gib dir hierfür genug Zeit, an einem Wochenende oder einem freien Tag, und plane dir eventuell danach nichts ein, um die Übung nachklingen zu lassen. Lass dir einige Minuten Zeit, um ganz entspannt bei dir anzukommen und eine ruhige Atmung einzustellen. Dann kann es losgehen.

Disclaimer: Wenn du mit belastenden Themen oder Traumata aus deiner Kindheit/Jugend kämpfst, höre auf deine Grenzen und stoppe die Übungen, wenn es dir zu viel wird oder du Überforderung verspürst. Hol dir Unterstützung von einer nahestehenden Person oder gehe die Übungen mit professioneller Hilfe durch.

1) Tritt mit deinem Inneren Kind in Kontakt

Schaue dir Fotos aus deiner Kindheit an oder gehe ganz bewusst in deine Erinnerungen hinein. Welche Bilder entstehen vor deinem inneren Auge? Welche Emotionen kommen in dir hoch und wie fühlt es sich an? Auch Meditation kann uns unterstützen, uns durch bewusstes Hervorrufen von Erinnerungen und Sinneseindrücken einen ersten Zugang zu unseren Empfindungen zu schaffen.

Vielleicht wolltest du aber gar nicht bewusst mit deinem inneren Kind in Kontakt treten, sondern wurdest durch eine Konfliktsituation unfreiwillig in die Empfindungen deines inneren Kindes geworfen. Die nächste Impulse können dir auch in dieser Situation helfen einen Umgang damit zu finden.

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2) Beobachte deine emotionale Reaktion

Vielleicht kommen bei deiner Reflexion intensive Gefühle wie Wut, Ohnmacht, Angst oder Panik in dir hoch. Das kann schnell Überforderung oder ein Gefühl von Kontrollverlust auslösen. Vielleicht hast du dieses Gefühl früher schon einmal erlebt, in Situation, die ähnlich waren. Als Kind hast du eventuell noch nicht die richtigen Werkzeuge dafür gehabt, um mit deinen Gefühlen und der Situation umzugehen oder dir fehlte eine Bezugsperson, der du dich zuwenden konntest. Heute bist du erwachsen und hast schon sehr viel mehr Lebenserfahrung und kannst besser benennen, was dich stört. Der nächste Impuls kann dabei eine Stütze sein.

3) Hole dich ins Hier und Jetzt

Atme tief ein und hole dich aktiv in den präsenten Moment zurück. Schaffe Distanz und versuche die Situation zu begreifen. Was passiert emotional gerade mit mir? Vielleicht kannst du deine Gefühle beschreiben. Konzentriere dich auf deine Umgebung und nimm verschiedene Reize wahr. Atme ganz bewusst ein und aus, um dich wieder im Hier und Jetzt zu erden. Schreibe auf, was gerade passiert ist, was du gesehen und gefühlt hast, oder sprich mit einer dir vertrauten Person. Das kann dir helfen, deine Gedanken zu strukturieren und ein klareres Bild abzuzeichnen. Wenn du in die Ruhe zurückkehrst, hast du einen viel bewussteren Zugang zu deinen Empfindungen und kannst deine Reaktion darauf besser steuern.

4) Was braucht mein inneres Kind = Was brauche ich?

Jetzt fragst du dich vielleicht: Okay und was jetzt? Deine freigelegten Emotionen und Beobachtungen sind wertvolle Hinweise auf deine darunter liegenden Bedürfnisse.

Frage dich: Was wollen meine Emotionen mir sagen? Was hätte ich in diesem Moment gebraucht, um besser mit der Situation umzugehen? Was würde ich aus meinem jetzigen Erwachsenen-Ich heraus sagen und wie handeln? Schlussendlich geht es um die Frage: Welche Bedürfnisse habe ich und wie kann ich sie erfüllen?

Dieser Prozess kann eine intensive Erfahrung sein. Sei sanft mit und zu dir und beende die Reflexion, wenn es dir nicht gut damit geht. Du kannst sie zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal aufgreifen, wenn dir danach ist.

5) Wie kann ich Verantwortung übernehmen?

Wenn du etwas Licht ins Dunkel gebracht hast und du dein Bewusstsein über deine Bedürfnisse geschärft hast, darfst du von der Reflexion in Aktion kommen und Verantwortung übernehmen: Was kannst du dir geben? Wie kannst du es dir geben? Was würde dir helfen und was sind konkrete Schritte? Als erwachsene Person hast du nun die Kontrolle darüber zu entscheiden, wie du dir selbst begegnen möchtest, was du dir geben kannst, was damals vielleicht gefehlt hat und wie du für dich da sein darfst.

Die Arbeit mit dem inneren Kind kann uns also eine Stütze sein, wenn wir anfangen wollen (wieder) in Kontakt mit uns zu kommen. Sie kann uns auf dem Weg zu uns selbst begleiten und einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit uns, unseren Prägungen und Traumata bieten. Eine professionelle Therapie kann die Arbeit mit dem inneren Kind nicht ersetzen und sollte deshalb eher unterstützend angewandt und als Sensibilisierung für das Thema betrachtet werden. Trotzdem, kann uns die Beschäftigung mit unserem inneren Kind helfen Veränderung in unser Leben einzuladen. Denn in der Natur der Veränderung liegt letztendlich Bewegung, Selbstwirksamkeit und Hoffnung.

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Quellen

https://www.spektrum.de/news/das-innere-kind-was-ist-das-eigentlich/2035693
https://wirksam-kommunizieren.de/transaktionsanalyse-nach-eric-berne/

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