Auf dem Waldweg: Was Natur mit uns macht

In der Natur sein macht etwas mit uns. Ein Spaziergang durch den Wald, gefüllt mit Erklärungen aus der Wissenschaft.

Sara Keller

Komm mit auf einen Spaziergang unter Baumkronen

Der Kopf ist voll, der Tag war lang und du brauchst ein bisschen Zeit für dich. Einen Ort zum Durchatmen ohne viel Trubel. Da kommt doch ein Spaziergang durch den Wald genau richtig, oder?

Irgendwie scheint es in uns eine direkte positive Assoziation mit Natur zu geben. Könnte das eine natürliche Liebe zur Natur sein? Beschrieben wird das durch die sogenannte „Biophilie”. Es gibt die Annahme, dass wir Menschen eine evolutionär bedingte Präferenz für natürliche Umgebungen haben. Damit geht auch ein Zusammenhang zwischen unserer Gesundheit und der Natur einher (1). Dem könnten wir doch mal auf den Grund gehen.

Kennst du Trimm-dich-Pfade? Das sind Rundkurse durch die Natur, bei denen alle paar hundert Meter eine Station errichtet ist. In der Regel geht es bei den errichteten Stationen um Anleitungen für Fitnessübungen. Ähnlich wie diese Wege möchte ich dich in diesem Artikel auf einen etwas anderen Pfad führen. Keine Angst, es wird dabei keine Sporteinheiten geben. Lass uns gemeinsam bei einem imaginären Gang durch den Wald an bestimmten Stellen genauer hinsehen, welche Effekte die Natur auf uns haben kann.

Mach dich bereit und folge mir.

Was machen Naturklänge mit uns?

Unser Weg startet am Rand des Waldes. Der Pfad vor dir öffnet einen Zugang zwischen den eng stehenden Baumstämmen, wie ein Vorhang, der einen ersten Einblick hinter die Kulissen bereithält. Tritt ein über den weichen Waldboden unter deinen Füßen. Nimm einen tiefen Atemzug von der angenehm kühlen frischen Luft, die dir zusammen mit dem Rascheln der Baumkronen entgegen strömt. Die bewegten Äste und Blätter der Bäume erzeugen ein schönes Hintergrundrauschen bei deinen ersten Metern auf dem Weg. Und etwas tiefer im Wald beginnst du auch andere Geräusche wahrzunehmen. Ein hell klingendes Klopfen eines Spechts gegen einen Stamm irgendwo rechts von dir. Weiteres Vögelgezwitscher kommt abwechselnd aus verschiedenen Ecken des Waldes. Und irgendwo ganz leise rauscht das Wasser eines kleinen Baches, ohne die anderen Melodien zu stören, eher um diese zu ergänzen. Wie eine wohl eingeprobte Komposition klingt der Wald um dich herum.

Und diese Klänge machen etwas mit uns. Teilnehmende einer Studie aus dem Jahr 2019 wurden städtischen Geräuschkulissen oder Naturklängen ausgesetzt. Personen, die eine natürliche Geräuschkulisse um sich hatten, zeigten signifikant bessere kognitive Leistungen (2). Ergebnisse dieser Studie zeigten damit erste Hinweise, dass Naturklänge die gerichtete Aufmerksamkeit verbessern können und das bereits nach lediglich einer experimentellen Sitzung.

Naturklänge zeigen sich für die Therapie als ein hilfreiches Mittel. Etwa in Kombination mit Entspannungstechniken können diese Geräusche positive Effekte auf das Schmerzempfinden, Ängste oder das Körperbild haben (3). Bei Personen mit Schlafschwierigkeiten konnte eine Verbesserung der Schlafqualität beobachtet werden, wenn man ihnen vor dem Einschlafen Naturklänge vorgespielt hat (4).

Effekte aufs Gehirn

Laufen wir ein Stück weiter auf dem Pfad, tiefer in den Wald hinein. Genieß die Melodie, die dich umgibt aus Vögeln, Wind und plätscherndem Wasser. In der Ferne siehst du eine hölzerne Bank, die einladend am Wegesrand steht. Du schlenderst ganz entspannt in ihre Richtung und lässt dich auf ihr nieder. Gegen die Lehne der Bank gelehnt, schweift dein Blick durch den Wald und verweilt zwischen den Baumkronen. Die in einander laufenden Verzweigungen der Äste über dir erinnern an das Netzwerk von Neuronen im Gehirn. Ob die Natur wohl einen Einfluss auf das Innere unseres Kopfes hat?

Diese Frage lässt sich ganz einfach mit Ja beantworten. Zeigt man Probanden lediglich Bilder von natürlichen Umgebungen und urbanen Räumen, wurde bei den Naturbildern eine höhere funktionale Konnektivität im Gehirn gemessen (5). Es wurde also eine vermehrte Interaktion zwischen einzelnen Hirnregionen beobachtet.

Auch konnte in einer Studie aus dem Jahr 2022 festgestellt werden, dass ein 60-minütiger Spaziergang in der Natur eine stressreduzierende Wirkung haben kann. Hierzu wurden die Gehirne von Probanden vor und nach einem Spaziergang im Wald oder auf einer Einkaufsstraße mit Verkehr untersucht. Untersucht wurde die Hirnaktivität in Regionen, die für die Stressverarbeitung zuständig sind und es konnte ein positiver Einfluss durch die Natur gezeigt werden (6).

Komm mit uns in den Wald:

Jetzt Waldmeditation starten

Wie wirkt Wald auf unsere körperliche und mentale Gesundheit?

Dir ist jetzt wieder nach ein wenig Bewegung. Du stehst auf und schlenderst gemütlich weiter den Waldweg vor dir entlang. Die Sonne scheint stellenweise durch die Baumkronen auf dich herab und nach einer Weile kannst du richtig wahrnehmen, wie sich deine Stimmung nach dem anstrengenden Tag verbessert und du auch innerlich zur Ruhe kommst.

Was du so auf deinem Spaziergang durch den Wald wahrnimmst ist kein Einzelfall. In verschiedenen Studien konnte in einem Waldsetting eine Änderung der physiologischen Indikatoren für Stress gemessen werden. Etwa eine Senkung des Blutdrucks sowie des Cortisolspiegels und der Pulsrate sind eben diese Hinweise, die auf eine anspannungsreduzierende Wirkung hindeuten. Sind wir regelmäßig in einer natürlichen Umgebung, wie etwa dem Wald und bewegen uns in ihr, können wir damit auch unser Risiko für mentale Krankheiten senken (7).

Bestehen bereits psychische Erkrankungen kann der Wald, aber auch Natur generell, eine unterstützende Funktion bei der Therapie einnehmen. Durch die Aktivierung des Parasympathikus im Wald können Stresshormone im Körper zurückgehen (7,8). Das ist gerade bei Personen mit Burn-out, Depressionen oder Angststörungen hilfreich. Auch unser Immunsystem, was eng mit der Psyche verbunden ist, profitiert vom Aufenthalt im Wald (8). Das gibt unserem Kontakt mit der Natur eine große Bedeutung für das (Wieder)Erlangen unseres Wohlbefindens.

Wir fühlen uns nicht nur im Wald wohl, sondern der Wald, und jede natürliche Umgebung, sorgt für unser Wohlbefinden. Bei achtsamen Momenten in der Natur können wir uns ihre Effekte bewusst machen und unsere Wertschätzung für dieses Geschenk zeigen, indem wir respektvoll und verantwortlich mit ihr umgehen.

Der Weg erreicht jetzt wieder den Waldrand und du beendest deinen Spaziergang mit mir. Mit einem guten Gefühl trittst du unter dem schattigen grünen Blätterdach hervor. Wie schön, war diese kleine Auszeit mit dir. Mach’s gut!


Quellen

(1) Gebhard U. Naturerfahrung und Gesundheit. Published online January 1, 2020:127-140. doi:https://doi.org/10.1007/978-3-658-21276-6_7‌

(2) Van Hedger SC, Nusbaum HC, Clohisy L, Jaeggi SM, Buschkuehl M, Berman MG. Of cricket chirps and car horns: The effect of nature sounds on cognitive performance. Psychonomic Bulletin & Review. 2018;26(2):522-530. doi:https://doi.org/10.3758/s13423-018-1539-1

(3) Hadis Javadian Kutenai, Jafari H, Shafipour V, Mehran Zarghami, Mahmood Moosazadeh. Comparison of the effects of Benson relaxation technique and nature sounds on pain, anxiety, and body image in burn-injured patients admitted to the burn ICU: A single-blind randomized clinical trial. Published online December 1, 2022. doi:https://doi.org/10.1016/j.burns.2022.12.013

(4) Ghezeljeh T, Nasari M, Haghani H. Effects of nature sounds on sleep quality among patients hospitalized in coronary care units: A randomized controlled clinical trial. Nursing and Midwifery Studies. 2018;7(1):18. doi:https://doi.org/10.4103/nms.nms_39_17

(5) Kühn S, Forlim CG, Lender A, Wirtz J, Gallinat J. Brain functional connectivity differs when viewing pictures from natural and built environments using fMRI resting state analysis.Scientific Reports. 2021;11(1). doi:https://doi.org/10.1038/s41598-021-83246-5

‌(6) Sudimac S, Sale V, Kühn S. How nature nurtures: Amygdala activity decreases as the result of a one-hour walk in nature. Molecular Psychiatry. Published online September 5, 2022. doi:https://doi.org/10.1038/s41380-022-01720-6

(7) Cervinka R, Höltge J, Pirgie L, et al. Zur Gesundheitswirkung von Waldlandschaften.; 2014. Accessed May 24, 2023. https://bfw.ac.at/050/pdf/BFW_Bericht147_2014_GreenPublicHealth.pdf

(8) deutschlandfunkkultur.de. "Being away“-Phänomen - Warum die Natur dem Menschen gut tut. Deutschlandfunk Kultur. Accessed May 25, 2023. https://www.deutschlandfunkkultur.de/being-away-phaenomen-warum-die-natur-dem-menschen-gut-tut-100.html

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