Erwartungen in Beziehungen - Was ist deine Liebessprache?
Nirgendwo sonst verstecken sich so viele Erwartungen wie in unserem Beziehungsleben. Wie hinterfragen wir die eigene Erwartungshaltung und verstehen das Gegenüber? Zeit, eine neue Sprache zu lernen.
Daniela Obers
Die Sprachen der Liebe
Die Woche war vollgepackt mit jeder Menge Arbeit, Terminen und einem Seelentröstereinsatz bei der liebsten Freundin. Der Feierabend nähert sich und ich träume von einem Buch auf der Couch und einem guten Abendessen, für das ich aber eigentlich gar keinen Finger krumm machen möchte. Könnte doch wirklich mal mein Freund machen. Sonst mach ich das ja immer. Zack, der Gedanke setzt sich als Erwartung in meinem Kopf fest. Der gute Mann weiß nichts davon und versteht dementsprechend meine Enttäuschen ganz und gar nicht, als er ankündigt, nun zum Sport zu gehen. Tadaaa, ein klassischer Fall unausgesprochener Erwartungen. Gerade in längeren Beziehungen und langjährigen Freundschaften denkt man, den anderen in- und auswendig zu kennen - und stellt diese Erwartung auch vice versa. Damit einher geht der Trugschluss, dass der andere einem jeden Wunsch und jede Erwartung von den Augen ablesen kann. Und diesem natürlich auch nachkommt.
Erwartungen: Von still zu laut
Beziehungen - ob Partnerschaft, Freundschaft oder die familiäre Beziehung - können sich manchmal wie ein Tanz auf rohen Eiern um einen großen Berg an Erwartungen anfühlen. Dieser Tanz dreht sich oftmals um die Frage "Was braucht mein Gegenüber, um zu erkennen, wie wichtig er oder sie mir ist?" Oder anders ausgedrückt: "Welche Erwartungen hat er oder sie an eine erfüllte Beziehung?"
Eine Erwartung ist meist etwas stilles. Sie baut sich in unserem Kopf auf und bleibt dort auch, wenn wir uns nicht aktiv dazu entschließen, sie zu teilen. Wird sie nicht zufällig erfüllt, platzt sie irgendwann mit Getöse. So wie für mich, als mir leider niemand Abendessen kochte. Wie ich dieser Enttäuschen aus dem Weg hätte gehen können, ist keine Raketenwissenschaft: Miteinander reden. So werden stille Erwartungen zu ausgesprochenen Wünschen. Der andere kann sich dann überlegen, ob er dem Wunsch nachkommen möchte.
Wir tragen jede Menge Erwartungen mit uns herum wenn es um das Thema Beziehungen geht. Es lohnt sich, diese hinsichtlich zweier Aspekte ganz besonders unter die Lupe zu nehmen. Erstens stellt sich die Frage, ob die eigenen Erwartungen "gerechtfertigt" oder überhöht sind. Gerechtfertigt ist dabei bewusst in Gänsefüßchen gesetzt, da eine gerechtfertigte Erwartung noch lange nicht bedeutet, dass der Partner diese denn auch zu erfüllen hat. Entscheiden darf er ja immer noch selbst. Soweit, so klar. Vermeintlich überhöhte Erwartungen lassen sich gut mit einer Frage überprüfen, die man sich selbst ehrlich beantworten sollte: "Welche meiner Erwartungen kann mein Partner erfüllen, ohne sich selbst zu ändern?"
Wie drückst du deine Liebe aus? Die fünf Sprachen der Liebe
Der zweite Aspekt ist die gefühlte Wichtigkeit der Erwartungen für uns selbst. Welche der Dinge, die wir von unserem Partner erwarten, liegen uns besonders am Herzen? Welche Dinge, Taten und Worte wünschen wir uns zu erfahren, um uns geliebt zu fühlen? Der amerikanische Paar- und Beziehungsberater Gary Chapman hat diese Form der Erwartungen in verschiedene Kategorien gepackt: Die fünf Sprachen der Liebe. Laut Chapman spricht jeder von uns primär eine Sprache der Liebe. Das bedeutet, dass wir uns dann von unserem Partner geliebt fühlen, wenn er die Kategorie an Liebesbekundung wählt, die uns wichtig ist, die unsere Sprache der Liebe ist. Klingt schon wieder ganz schön nach unausgesprochenen Erwartungen, oder? Laut Chapman ist es daher essentiell, dass beide Partner die Sprache der Liebe des jeweils anderen kennen. Andernfalls ist dem Partner einfach nicht bewusst, welchen Stellenwert der ein oder andere Wunsch für den anderen hat. Hier ein kurzer Überblick über die fünf Sprachen:
1. Lob und Anerkennung:
Diese Sprache der Liebe lebt von der Dankbarkeit, die man sich gegenüber zeigt. Dankbarkeit, dass gewisse Dinge erledigt wurden und dass der Partner bestimmte Dinge gut oder besser kann als man selbst. Das klassische Lob. Klar ist: Lob und Ermutigung sollten nur ausgesprochen werden, wenn du es auch so meinst. Echte Anerkennung des Partners kann zur Triebfeder werden, wenn es darum geht, Träume in Angriff zu nehmen.
2. Zweisamkeit:
Hier schenken wir dem Partner unsere Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit. Es geht darum, gemeinsam Erfahrungen zu machen und Erinnerungen zu schaffen. Zu dieser Sprache gehört auch das gute Gespräch. Mit dem Partner über Gott und die Welt, die Philosophie des Seins, das Gefühlsleben oder andere Herzensthemen zu sprechen, kann viel Nähe und Liebe vermitteln. Jene, die die Liebessprache der Zweisamkeit sprechen, verstehen es als Liebe und Wertschätzung des Partners, diese Gespräche zu führen.
3. Geschenke, die von Herzen kommen:
Geschenke sind in vielen Kulturen eine Zeichen der Wertschätzung. Kein Wunder also, dass sie auch in Beziehungen eine große Rolle spielen können. Mit einem Geschenk kann ich dem Partner zeigen, dass ich mir Gedanken gemacht habe. Mit dem Schenken selbst wird diese Liebe sichtbar. Geschenke müssen dafür natürlich nicht teuer sein, oder überhaupt Geld gekostet haben. Spricht jemand diese Sprache der Liebe, so ist ihm der Fakt wichtig, dass du dir Gedanken zu einem Geschenk gemacht hast - oder auch zu einem Gefallen, den du ihm gerade tun kannst.
4. Hilfsbereitschaft:
Spricht jemand die Liebessprache der Hilfsbereitschaft, so ist für ihn oder sie das Putzen, Abholen vom Flughafen oder dein Fahrrad zu reparieren Ausdruck der Liebe. Er oder sie tut das, um dir das Leben zu erleichtern. Oder andersherum: Der Partner wird es als ganz besonderen Akt der Liebe zu schätzen wissen, wenn du ihn vom Flughafen abholst oder ihm das Abendessen kochst.
5. Zärtlichkeit:
Die fünfte Sprache der Liebe ist die wohl ursprünglichste, denn ein bisschen was davon tragen wir alle in uns. Verschiedene Studien zeigen, dass Babies neben der Nahrung von der Mutter vor allem eines brauchen: Zuwendung. Im Bezug auf die Sprachen der Liebe, geht es bei "Zärtlichkeit" nicht nur um Sex, sondern Berührungen, wohlige Wärme, Geborgenheit und Nähe. Menschen, die diese Sprache der Liebe sprechen, fühlen sich zum Beispiel in der langen und intensiven Umarmung des Partners geliebt. Wichtig ist, dass es bei dieser Sprache der Liebe nicht um die Befriedigung des Sexualtriebs geht, sondern ob Zuwendung und Berührung primäre Ausdrucksform der Liebe sind: Fühle ich mich durch den Austausch von Zärtlichkeiten geliebt?
Und welche Sprache der Liebe sprichst du? Wenn dir die Antwort nicht intuitiv kommt, so kann es helfen, das Ganze mal gedanklich umzudrehen: Was würde dir am meisten fehlen, wenn es nicht mehr da wäre? Ohne welchen Aspekt würdest du dich nicht geliebt fühlen? Es lohnt sich, diese Fragen auch dem besten Freund, der besten Freundin, Partner, Partnerin oder dem Familienmitglied zu stellen. Andernfalls besteht das Risiko, dass man doch meint, so viel für den Partner zu tun, ohne etwas zurück zu bekommen. Oder die Bemühungen und Liebesbeweise des Partners nicht sieht, da man eben unterschiedliche Sprachen der Liebe spricht. Dabei kann jede Menge Liebe unverstanden im Raum verpuffen. Wäre schade drum.
Fazit? Sprecht miteinander. Dafür gibt es 36 Fragen auf mitvergnügen.de, die einem jede Menge über das Gegenüber verraten sollen. Wer noch nicht verliebt ist, wäre es wohl nach diesen 36 Fragen.
Mit der ersten Frage dieser Liste schließt mein Artikel: Wenn Du Dich für eine beliebige Person entscheiden könntest: Wen hättest Du gern als Tischgast beim Essen?
Gekocht habe ich am Ende selbst, aber der liebste Tischgast hat mir dafür Zweisamkeit geschenkt.
****Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:
Bild: Anna Shvets auf Pexels
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