5 Tipps, wie wir Beziehungen achtsam loslassen
Wenn Beziehungen oder Freund:innenschaften zu Ende gehen, kann das ein schmerzhafter Prozess sein. Hier kommen 5 Tipps, wie du sie mit Achtsamkeit und Selbstmitgefühl loslassen kannst.
Eva Siem
Der schmerzliche Abschied
Beziehungen - egal ob freundschaftlich oder romantisch - bereichern unseren Alltag, schenken uns Freude, Trost und Vertrauen. Umso schmerzhafter kann es sein, wenn wir diese Beziehungen loslassen müssen.
Die Gründe für das Ende von Beziehungen sind so vielfältig wie die Beziehungen selbst: Ein Umzug kann den regelmäßigen Kontakt erschweren, unüberbrückbare Differenzen können wiederholt zu Konflikten führen und toxische Verhaltensmuster können uns unsere Energie rauben.
Unabhängig davon, ob wir verlassen werden oder selbst den Entschluss zum Gehen gefasst haben - Freund:innenschaften und Beziehungen loszulassen kann eine der emotional größten Herausforderungen sein, die wir als Menschen durchmachen. In diesem Artikel widmen wir uns der Frage, wie wir den Prozess achtsam bewältigen können.
Einen Teil von dir selbst loslassen
Trennungen, sei es in freundschaftlichen oder romantischen Beziehungen, können oft wie ein "uneindeutiger Verlust" erscheinen, wie von der amerikanischen Psychologin Pauline Boss beschrieben. Dabei bleibt unklar, was genau verloren wurde. Häufig ist es nicht nur der Verlust einer Person, sondern auch der Verlust von Träumen, emotionaler Unterstützung und einer Identität, die eng mit dieser Person verbunden ist.
Zwischenmenschliche Beziehungen können nämlich eng mit unserem eigenen Selbstbild verknüpft sein. Zum Beispiel kann jemand in einer Freund:innenschaft die Rolle des oder der einfühlsamen Ratgebenden einnehmen. Wenn die Freund:innenschaft endet, kann der Verlust dieser Rolle zu einem Identitätskonflikt führen und die Frage aufwerfen: “Wer bin ich ohne diese Rolle?” Gemeinsame Träume und Pläne, wie eine Reise oder das Gründen einer Familie, können ebenfalls zerbrechen. Egal, ob wir verlassen oder verlassen werden - bei einer Trennung kann es sich anfühlen, als würde ein Teil von uns selbst verloren gehen. Wie wir diesen Prozess erleben, hat dabei auch mit unseren Bindungstendenzen zu tun.
Bindung und Verlust
Nach der Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth legen frühe Beziehungserfahrungen den Grundstein für spätere zwischenmenschliche Beziehungen. Diese Theorie definiert vier Hauptbindungsstile (sicher, ängstlich, vermeidend und desorganisiert), die beeinflussen, wie Menschen Intimität und Verluste in Beziehungen erleben. Zum Beispiel sind Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil oft stark auf die Bestätigung und Nähe ihrer Partner:innen angewiesen und haben Angst vor dem Verlust der Beziehung, was das Loslassen erschwert. Womöglich bleiben sie lieber in einer unglücklichen Beziehung aus Angst davor, allein zu sein. Ähnlich tun sich vermeidende Menschen häufig schwer damit, loszulassen, da sie gelernt haben, emotionale Distanz zu wahren und Intimität zu vermeiden. Für sie mag eine unerfüllte Beziehung besser erscheinen als die Verwundbarkeit und Angst vor Nähe in einer möglicherweise tieferen Verbindung. Doch glücklicherweise sind wir nicht dauerhaft an unsere Muster gebunden. Wir können uns von unseren frühen Prägungen lösen, indem wir sie reflektieren, aktiv korrigierende Erfahrungen suchen und uns im Loslassen üben.
Der Prozess des Loslassens kann von einer Vielzahl von Gefühlen begleitet werden. Werden wir verlassen, können uns bspw. Emotionen wie Wut, Trauer, Einsamkeit, Hilflosigkeit oder Angst begleiten. Doch auch auf der anderen Seite des Abschieds können negative Emotionen auftreten: Wenn man selbst eine Person verlässt, empfinden wir vielleicht schlechtes Gewissen, Reue oder genauso Einsamkeit und Angst. Ein achtsamer Umgang mit den eigenen Gefühlen und Gedanken kann helfen, den Verlust zu betrauern und zu akzeptieren.
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Der Trauerprozess ist ganz individuell. Und doch gibt es ein paar Dinge, die dir beim achtsamen Loslassen helfen können.
1. Schaffe Klarheit
Wenn möglich, suche einen ehrlichen Austausch darüber, wie es zu der Entscheidung kam. Ein solches Gespräch kann helfen, den uneindeutigen Verlust greifbarer zu machen, die Perspektive des Gegenübers zu verstehen und die eigene Erfahrung mit dem Verlust zu teilen.
Doch nicht immer sind beide Parteien bereit für ein klärendes Gespräch. Falls es keinen persönlichen Austausch gibt, kann es helfen, deine Gedanken in einem Journal festzuhalten oder einen Brief zu schreiben. Ob du diesen auch abschicken möchtest, bleibt dabei ganz dir überlassen. Falls du dich dafür entscheidest, erinnere dich daran, dass es nicht um die Hoffnung gehen sollte, dass der Brief tatsächlich gelesen oder gar beantwortet wird, sondern deinem persönlichen Abschluss dient.
2. Finde Trost durch Dankbarkeit
Beziehungen verlaufen nicht immer geradlinig. Sie können genauso verschiedene Phasen von Nähe und Distanz durchlaufen oder nur für eine bestimmte Lebensphase passend sein. Statt krampfhaft daran festzuhalten, können wir uns in Wertschätzung dafür üben, dass diese Person einen Teil unseres Lebens begleitet hat. Wenn du zurückblickst, wofür bist du dankbar? Welche positiven Erinnerungen hast du an die gemeinsame Zeit? Was hast du vielleicht durch diese Beziehung gelernt - über dich oder darüber, wie du zwischenmenschliche Beziehungen in Zukunft gestalten möchtest? Wenn es sich richtig anfühlt, kannst du diese Gedanken auch mit der anderen Person teilen (sofern diese auch offen ist, das Geteilte entgegenzunehmen).
3. Übe dich in Selbstmitgefühl
Loslassen ist ein kontinuierlicher Prozess. Es ist normal, dass Gefühle wie Trauer, Wut und Verwirrung auftauchen, auch nachdem die Trennungsentscheidung getroffen wurde. In dieser Zeit ist es wichtig, für dich selbst da zu sein. Psychologin Kristin Neff identifiziert drei Schlüsselkomponenten des Selbstmitgefühls: Achtsamkeit, Freundlichkeit mit sich selbst und Verbundenheit mit allen Menschen.
Achtsamkeit hilft dir nicht nur, deine Gedanken und Gefühle wertfrei wahrzunehmen, sondern auch bewusster zu erkennen, ob dir gerade Ablenkung oder Konfrontation guttut. Du musst nicht rund um die Uhr in der Trauer verweilen. In manchen Momenten kann es hilfreich und heilsam sein, dich abzulenken, nach vorne zu schauen und dir Leichtigkeit im Leben zu erlauben. Psycholog:innen verweisen hier auf die “dosierte Trauer” - du entscheidest, ob du gerade Kapazitäten für den Trauerprozess hast oder nicht. Wenn du bemerkst, dass andere Themen gerade wichtiger sind, kannst du dem Gefühl innerlich sagen: “Danke, ich nehme dich wahr. Ich schenke dir später meine Aufmerksamkeit”.
Freundlichkeit mit dir selbst bedeutet, liebevoll und akzeptierend mit dir selbst umzugehen, ähnlich wie du es bei einer dir nahestehenden Person tun würdest. Denk daran, wie du Trost spenden und ermutigen würdest, wenn ein:e enge:r Freund:in durch eine ähnliche Situation geht.
Du bist nicht alleine mit der Herausforderung des Loslassens. Trauer und Veränderung sind ein wesentlicher Teil des Lebens, dem sich alle Menschen früher oder später stellen müssen. Diese Erkenntnis und auch der Austausch mit einer nahestehenden Person kann dir helfen, eine gewisse Verbundenheit mit allen Menschen zu spüren.
4. Nimm Abschied von der möglichen Zukunft
Loslassen bedeutet in vielen Fällen nicht nur einen Abschied von der Vergangenheit, sondern auch von einer möglichen Zukunft, wie Natasha Lunn in ihrem Buch “Conversations on Love” beschreibt. Nimm dir Zeit, dich von den Träumen und Plänen zu verabschieden, die du mit der anderen Person hattest. Überlege, welche Bedürfnisse sich hinter diesen Träumen verbergen oder was dir an dir selbst in dieser Zukunftsvision gefällt. Mit einer solchen Reflexion kannst du nämlich auch der Frage näherkommen, wer du ohne die andere Person sein und wie du dir eine alternative Zukunft gestalten möchtest.
5. Aktiviere deine Ressourcen
Stütze dich auf Ressourcen, die dir Halt geben. Gibt es bestimmte Routinen oder Aktivitäten, die dir guttun - sei es ein morgendlicher Spaziergang, ein Workout nach der Arbeit oder Meditation? Welche anderen Beziehungen möchtest du in deinem Leben stärken? Nimm wahr, welche Ressourcen dich beim Loslassen unterstützen und dir in dieser Zeit Kraft geben.
Es gibt keinen Zeitplan für das Verarbeiten einer Trennung. Mal ist der Schmerz intensiver, mal können wir die Situation mit etwas Abstand betrachten. Wie auch immer der Prozess für dich persönlich aussieht, betrachte ihn mit Wohlwollen und erinnere dich daran, dass das Loslassen auch eine Gelegenheit sein kann, dich selbst und deine Bedürfnisse besser kennenzulernen.
Quellen:
Ainsworth, M. D. S., & Bowlby, J. (1991), An ethological approach to personality development. American Psychologist, 46, 331-341.
Boss, P. (2007). Ambiguous Loss Theory: Challenges for Scholars and Practitioners. Family Relations, 56(2), 105–110.
Lunn, N. (2022). Conversations on Love. Penguin.
Neff, K. D. (2011). Self-Compassion, Self-Esteem, and Well-Being. Social & Personality Psychology Compass, 5(1), 1–12.
Slotter, E. B., Gardner, W. L., & Finkel, E. J. (2010) Who am “I” without “you”? The
influence of romantic breakup on self-concept clarity. Personality and Social Psychology Bulletin, 36, 147-160.
Bild: Alena Darmel via Pexels
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