Positive Psychologie: Kann man Glück lernen?

Die Erforschung des Glücks hat in den letzten Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen. Wir stellen euch die wichtigsten Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie vor.

Von Miriam Stropel

Wer sich mit Achtsamkeit beschäftigt, hat sicherlich schon einmal von dem Begriff Positive Psychologie gehört. In der heutigen Zeit gewinnt dieses Feld immer mehr an Interesse. Das zeigt sich vor allem an der steigenden Zahl von Life-Coaches, Glücks-Magazinen und -Blogs sowie Ausbildungsmöglichkeiten in dem Bereich – doch gleichzeitig steigt auch die Zahl der Menschen mit Depressionen. Laut WHO litten im Jahr 2015 etwa 322 Millionen Menschen unter depressiven Störungen – 18 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Es scheint, als seien wir ständig auf der Suche nach dem Glück und nach uns selbst.

Doch was macht eigentlich ein erfülltes Leben aus? Wie können wir gute Beziehungen führen? Was können wir tun, um glücklich zu sein? Das alles sind Fragen, mit denen sich die Positive Psychologie beschäftigt. Ihr Ansatz: Glück ist erlernbar. Wenn wir unser Leben aktiv gestalten, einen höheren Sinn in unserem Dasein finden und unsere Stärken nutzen, können wir unser Wohlbefinden auf Dauer steigern. Und nicht nur das – Wissenschaftler:innen zufolge leben glückliche Menschen länger und leiden seltener an psychischen Krankheiten [1]. Deshalb steht in der Positiven Psychologie auch die psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) im Vordergrund. Die genutzten Methoden sind dabei keinesfalls esoterischer Natur, sondern wissenschaftlich erprobt. In diesem Artikel möchten wir einen Überblick über die wichtigsten Ansätze der Positiven Psychologie geben.

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Positive Psychologie als Gegenbewegung

Die Positive Psychologie wurde bereits 1954 von dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow eingeführt und in den 1990er Jahren von Martin Seligman wieder aufgegriffen. In der Vergangenheit beschäftigte sich die psychologische Forschung hauptsächlich mit den Faktoren, die unglücklich machen: Zwischen 1887 und 1999 erschienen etwa 170.000 Artikel, die negative Themen wie Ängste und Depressionen behandelten, und nur ungefähr 12.000 über positive Gefühle. Die Positive Psychologie schaffte einen Perspektivwechsel. Im Unterschied zur klassischen Psychologie widmet sie sich den positiven Eigenschaften des Lebens und erforscht diejenigen Faktoren, die den Menschen stärken und sein Wohlbefinden steigern. Welche Aspekte zu einem erfüllten Leben beitragen, hat Seligman in einem Konzept zusammengefasst.

Die fünf Säulen des Glücks

Aus seinen Forschungsergebnissen hat Seligman das PERMA-Modell aus fünf Merkmalen aufgestellt, die ein glückliches Leben ausmachen [2]. PERMA ist ein Akronym und besteht aus folgenden Elementen: Positive Emotions, Engagement, Relationships, Meaning und Achievement. Wie diese Merkmale unser Wohlergehen steigern können, werden wir im Folgenden erklären.

1. Positive Emotions (Positive Emotionen)

Ein wichtiger Faktor für unser Wohlbefinden ist das Erleben positiver Gefühle wie Genuss oder Dankbarkeit. Mithilfe verschiedener Übungen aus der Positiven Psychologie können wir diese trainieren. So können wir zum Beispiel ein Dankbarkeitstagebuch schreiben, in dem wir jeden Abend drei Dinge notieren, die am Tag positiv waren. Es geht nicht darum, dass immer alles gut sein muss. Allerdings hilft diese Gewohnheit, den Blick weg von Negativität und hin zu den kleinen Glücksmomenten des Alltags zu lenken.

2. Engagement (Stärken einsetzen)

Wissenschaftler:innen der Positiven Psychologie konnten herausfinden, dass wir unser Glücksgefühl steigern, indem wir unsere Charakterstärken richtig einsetzen [3]. Dann gelangen wir leichter in den Flow-Zustand, in dem wir vollkommen in einer Beschäftigung aufgehen und alles um uns herum vergessen. Dieser lässt sich bei den unterschiedlichsten Tätigkeiten erreichen, z.B. beim Sport oder Malen. Eine gute Möglichkeit, seine eigenen Stärken und Talente herauszufinden, ist der Values-in-Action-Test. Dieser wurde von Wissenschaftler:innen entwickelt und fragt 24 Charakterstärken ab, zum Beispiel Neugier und Enthusiasmus. Hier geht’s zum offiziellen Test.

3. Relationships (positive Beziehungen)

Egal ob tiefe Freund:innenschaften, eine glückliche Partner:innenschaft oder die Familie – erfüllende Beziehungen zu anderen Menschen lösen positive Gefühle in uns aus. Es ist wichtig, dass wir Personen kennen, denen wir vertrauen können und in deren Nähe wir uns wohl fühlen. Manchmal benötigen wir nur einen ausgiebigen Spaziergang mit der besten Freundin oder ein erheiterndes Telefongespräch, um uns danach wie beflügelt zu fühlen. Wenn wir unser Wohlbefinden steigern möchten, können wir unsere Beziehungen pflegen und zum Beispiel öfter Wertschätzung anderen gegenüber ausdrücken.

4. Meaning (Sinn)

Seligman geht davon aus, dass Sinnhaftigkeit ein weiterer Schritt zu einem erfüllten Leben ist. Dabei müssen wir nicht “den einen Sinn” des Lebens finden, der für alle gültig ist. Stattdessen geht es darum, unsere ganz eigene Bestimmung zu finden und danach zu leben. Das kann ein bestimmter Beruf sein oder die Mission, anderen Menschen zu helfen. Zugegeben: Die Suche nach dem Sinn ist nicht ganz einfach und kann sehr lange dauern, doch sie lohnt sich immer.

5. Achievement (Ziele erreichen)

Wer kennt es nicht, das wunderbare Gefühl, wenn wir endlich ein Ziel erreichen, auf das wir schon lange hingearbeitet haben. Sei es ein Marathonlauf, die Abgabe der Masterarbeit oder der Bau eines Hauses. Aber auch kleinere Ziele gehören dazu. Nicht nur das Selbstwertgefühl kann steigen, sondern auch die persönliche Zufriedenheit. Deshalb rät uns die Positive Psychologie dazu, uns sinnvolle Ziele zu setzen, die uns herausfordern, und die wir dennoch erreichen können.

Es erscheint logisch, dass wir auf Dauer glücklicher werden, wenn wir unser Leben aktiv gestalten und den Blick auf unsere Stärken und die positiven Dinge richten. Doch Glück ist subjektiv und kann für alle etwas anderes bedeuten. Deshalb ist es wichtig, dass wir für uns selbst herausfinden, welche Aspekte zu unserem Wohlbefinden beitragen. Natürlich kann niemand immer glücklich sein, aber die Positive Psychologie kann uns dabei helfen, resilienter in Zeiten der Krise zu sein und unsere Wahrnehmung im Alltag auf das Positive zu richten.

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Quellen:

[1] Diener E, Chan MY. Happy People Live Longer: Subjective Well-Being Contributes to Health and Longevity. Social Science Research Network. Published November 23, 2010. https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1701957

[2] Seligman MEP. Flourish: A New Understanding of Happiness and Well-Being and How to Achieve Them. Nicholas Brealey Publishing; 2011.

[3] Character Strength Research into Positive Psychology Study | VIA Institute. www.viacharacter.org. https://www.viacharacter.org/research/findings

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