Epigenetik: Können wir unsere Gene steuern?

Gene beeinflussen unsere Veranlagung für Krankheiten, aber auch unser Lebensstil spielt eine Rolle. Finde heraus, wie du wissenschaftliche Erkenntnisse für dich nutzen kannst.

Epigenetik, Gene und Umwelt

Wissenschaft, Biologie, Genetik. Klingt alles langweilig? Dann pass mal auf. Denn das Feld der Epigenetik geht uns alle etwas an. Es ist schon lange bekannt, dass unsere Gene in vielen Hinsichten die Fäden ziehen: Sei es bei chronischen Krankheiten oder der Veranlagung zu psychischen Problemen. Aber inwiefern haben wir selbst die Finger im Spiel, wenn es um unsere Gene geht?

Juckt es unsere Gene, wie wir essen, wie viel wir arbeiten oder wo wir leben? Können wir unsere Gene beeinflussen und wenn ja, wie geht das? Wir haben herausgefunden, dass die Wissenschaft der Gene viel spannender ist, als uns der Biounterricht je weismachen konnte. In diesem Artikel nehmen wir dich mit in die winzigste Bausteinkiste der Welt.

Was sind Gene?

Fangen wir bei den Basics an, den Genen. Der menschliche Körper besitzt 30 bis 40 Tausend Gene. All diese Gene sind in jeder Zelle enthalten, aber trotzdem unterscheiden sich unsere Zellen von ihrer Funktion her, da immer nur bestimmte Gene aktiv sind. Gene bilden den Abschnitt der DNA, der die Erbinformation enthält – und sind damit essentiell für die Zellteilung. Sie fungieren als eine Art Code, der von der Zelle entschlüsselt werden muss. Mit den entschlüsselten Informationen erhält die Zelle eine Art Bauplan zur Bildung von Proteinen. Je nach dem welche Gene aktiv sind, wird aus einer Zelle eine Leber-, eine Haar- oder eine Hautzelle. Und da kratzen wir auch schon an unserem Kernthema: Der Epigenetik.

Epigenetik: Eine Definition

Die Vorsilbe "Epi" bedeutet so etwas wie "über". Also über oder zusätzlich zur Genetik. Und diese zusätzliche Ebene ist viel flexibler, als unsere "Kerngene". Wie eben erklärt, besitzt unser Körper über 250 verschiedene Zelltypen, aber alle haben die gleiche DNA Sequenz. Den Unterschied macht nämlich die Epigenetik: Durch Modifikationen werden bestimmte Regionen der DNA markiert und so aktiviert, deaktiviert oder "gedimmt". Dadurch werden Funktion und Eigenschaften der Zelle erzeugt. Wie genau funktioniert das? Unterscheiden wir zunächst zwischen zwei bekannten Funktionsweisen der Epigenetik:

Methylierung

Bei der DNS-Methylierung docken Methylgruppen (also Kohlenwasserstoff-Moleküle) an den DNS-Strang an. DNS bedeutet übrigens Desoxyribonukleinsäure und ist die deutsche Abkürzung für DNA und damit Träger unserer Erbinformation. Die Methylgruppen verhindern dadurch, dass die nachfolgenden Gensequenzen von der Zelle gelesen werden. Diese können somit nicht in Proteine umgewandelt werden – Das Gen wird durch die Markierung ausgeschaltet.

Histon-Acetylierung

Wir müssen uns vorstellen, dass so ein DNS-Strang zwei Meter lang ist. Ganz dicht gepackt ist er im Zellkern eingerollt, wobei er sich um Hunderttausende von kleinen Perlen windet, sogenannte Histonkomplexe. Um ein Gen so gut eingewickelt zu aktivieren, muss es also erst ein mal entpackt werden. Dabei helfen Acetylgruppen, denn sie lockern den Strang und machen ihn so lesbar. So können also auch Acetylgruppen beeinflussen, welche Gene wie gut gelesen und umgewandelt werden können.

Das sind nur zwei Prozesse kurz erklärt, in Wirklichkeit ist das Thema natürlich viel umfangreicher. Festhalten können wir, dass Markierungen im Laufe unserer Lebens ständig aktiviert und deaktiviert werden können. Dieser Prozess ist aber noch nicht die Epigenetik, sondern die Genregulation. Zur Epigenetik wird es, sobald die Ablesbarkeit von Genen langfristig verändert wird. Dabei spielen Umwelteinflüsse, darunter auch psychische Erlebnisse, eine wichtige Rolle.

Epigenetik bezieht sich aber nicht nur auf das Wechselspiel von Umwelt und Genen. Es handelt sich um ein riesiges Forschungsfeld, das zum Beispiel auch untersucht, ob epigenetische Modifikationen über Generationen vererbt werden können und inwiefern diese Prozess eine Rolle in der Evolution spielen.

Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt

Fragst du dich mittlerweile, warum uns das als nicht-Wissenschaftler eigentlich alles interessieren sollte? Ganz einfach: Verstehen wir, wie unser Körper funktioniert und wie wir ihn ständig durch unser Denken und Handeln beeinflussen, können wir besser in Einklang mit uns leben. (link: https://www.youtube.com/watch?v=Vp7KWtcMcVI text: "Wenn man das begreift, was im Körper abläuft, [...] braucht man keine klaren Vorschriften mehr"), sagt Peter Spork, Autor des Buches "Gesundheit ist kein Zufall". Ratgeber, Diäten und Co. sind am Boomen, dabei sollten wir uns eigentlich mit unserem eigenen Körper und Geist auseinander setzen, anstatt blind den Methoden anderer hinterher zu rennen.

Es geht darum, Prozesse zu verstehen und für uns zu nutzen. So können wir uns eine Menge Leid abnehmen und neben der Steigerung der Lebensqualität auch das Risiko für ernsthafte Krankheiten verringern.

Hier ein Beispiel: Bist du sehr geborgen und umsorgt aufgewachsen, wurden deine Zellen im Stressregulationssystem so geprägt, dass du resilienter bist: Du kannst mit Stress und Rückschlägen besser umgehen. Dadurch wurden deine Gene so beeinflusst, dass das Risiko, psychisch zu erkranken, geringer ist. Dass die Kindheit eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von psychischen Erkrankungen spielt, ist schon lange bekannt. Interessant ist, dass sich diese Prägung im Laufe deines Lebens auch immer wieder ändern kann. So beeinflussen spätere Erlebnisse, aber auch dein persönliches Empfinden und dein Umgang damit, deine Genmodifikationen. Und da sich unsere Zellen im Körper ständig erneuern, wird diese Modifikation durch die Mitose (Zellteilung) immer weiter gegeben.

Selbst wenn du also eine sehr negativ geprägte Kindheit hattest, sind deine Gene deswegen nicht verloren. Sie können beeinflusst werden. Durch Therapie, gesunde Verhaltensmuster wie Sport, Ernährung und Entspannung und liebevolle Beziehungen zum Beispiel. Und so wird auch langsam klar, warum Achtsamkeit eine wichtige Rolle in diesem Thema spielt.

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Meditation beeinflusst unsere Gene – und hält uns jung

Immer mehr Studien belegen, dass Achtsamkeitsmeditation unsere psychische und physische Gesundheit positiv beeinflusst. Aber warum eigentlich? Die Epigenetik bietet Forschern eine spannende Fährte.

Um die Wirkung von Meditation zu verstehen, müssen wir zunächst begreifen, was in den Zellen genau passiert. Es gibt Enzyme (Telomerase), die für die Wiederherstellung der Endstücken von Chromosomen (sogenannte Telomere) zuständig sind. Dieser Prozess ist unglaublich wichtig, damit während der Zellteilung alle Informationen korrekt übermittelt werden und keine fehlerhaften Proteine abgelesen werden. Werden die Telomere nicht mehr richtig erneuert, stirbt die Zelle irgendwann ab. So lässt sich u.a. auch unser Alterungsprozess erklären. Mit Hilfe des Enzyms Telomerase können die Chromosomenden aber verlängert werden und unsere Zellen länger leben. Deswegen sind Telomerase auch als eine Art "Jungbrunnen" bekannt.

Studien untersuchten den Zusammenhang von Telomerase und Meditation, indem Forscher die Länge der Telomere von meditierenden und nicht meditierenden Personen verglichen. Meditierende hatten durchschnittlich längere Telomere und eine höhere Anzahl an Telomerase. Achtsamkeit beeinflusst uns also tatsächlich auf genetischer Ebene. Indem wir meditieren, verlangsamen wir unseren Alterungsprozess und Risiko für Krankheiten.

Durch deine Art zu Leben, Tag für Tag, beeinflusst du deine Gene, die Erneuerung deiner Zellen und damit deine Gesundheit. Lass dich durch dieses Wissen aber nicht unter Druck setzen. Ein Schokoriegel wird deine Genetik nicht langfristig beeinflussen. Viel mehr sind es die konstanten gesunden Gewohnheiten, die unsere tiefsten Ebenen verändern. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf: Atme tief durch. Behandle dich gut. Und setze dich nicht unter Druck.


Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:

Bild: chuttersnap auf Unsplash

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