Psychologie: Wie funktioniert Meditationsforschung?

Psychologin Siri nimmt uns mit dem Science Snack wieder einmal mit in die Welt der Wissenschaft. Wie lässt sich eigentlich erforschen, was Meditation mit uns macht?

Siri Frericks

Science Snack #4:

So wird Meditation erforscht


Meditationsforschung: Raus aus der Nische

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Meditation und Achtsamkeit und erleben im eigenen Alltag die Veränderungen, die uns eine solche Praxis schenken kann. Einige bringen Meditation und Achtsamkeit noch immer mit Esoterik in Verbindung. Dabei ist sie schon längst in der Naturwissenschaft angekommen. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 wurden bereits über 1200 Studien veröffentlicht (Quelle: PubMed), die sich auf irgendeine Art mit Achtsamkeit oder Meditation auseinandersetzen. Das sind durchschnittlich 200 Studien im Monat beziehungsweise 50 Studien pro Woche. Die Tendenz ist dabei eindeutig steigend.

Aber was ist Meditationsforschung überhaupt? Wie funktioniert sie? In dieser Ausgabe des Science Snacks soll es genau darum gehen. Ich gebe dir Einblicke in verschiedene Studiendesigns, damit du leichter nachvollziehen kannst, wie solche (natur-)wissenschaftlichen Studien eigentlich ablaufen und wie sie Ergebnisse hervorbringen. Da dieses Format ein Snack bleiben und kein Mehr-Gänge-Menü werden soll, werde ich nicht in die Details der verschiedenen Designs eintauchen. Es geht vielmehr darum, dir einen kurzen Überblick zu ermöglichen. Vielleicht unterstützt dich dieses Wissen darin, zukünftig sehr gute von weniger guten Studien unterscheiden zu können. Und dir im dichten Wald der Wissenschaft einen Überblick zu verschaffen. Hol' dir einen Tee, jetzt wird's nerdy.

Was wird gemessen?

In der Meditationsforschung treffen immer wieder physiologische und psychologische Messungen zusammen. Denn gerade, wenn es um ganzheitliche Gesundheit geht, ist die Verbindung von persönlichen Einschätzungen und körperlichen Aspekten wichtig und interessant. Die Erhebung von psychologischen Daten kann unter anderem mit diesen Methoden bewerkstelligt werden:

  • Fragebögen mit Selbst- oder Fremdbeurteilung (z.B. durch Angehörige): Hinweise auf psychologische Konstrukte, wie z.B. Achtsamkeit, Wohlbefinden oder Lebensqualität

  • Interviews (nicht standardisiert, teil-standardisiert oder vollstandardisiert): Hinweise, z.B. auf Herausforderungen und Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen

  • Verhaltensbeobachtungen durch Expert:innen: Hinweise, z.B. in Experimenten zum Sozialverhalten

  • Tests: Messwerte, z.B. zu Intelligenz, Konzentration oder Stresstoleranz

Und dann sind da auch noch die physiologischen Messungen, die häufig super interessante und wertvolle Einblicke in das körperliche Geschehen bieten. Auch für diesen Bereich hier ein paar interessante Indikatoren:

-Blutdruck: Hinweise zum Stresslevel -Herzratenvariabilität: Hinweise zu Herzgesundheit & Stressregulation

  • Hautleitfähigkeit: Hinweise zu emotional-affektiven Reaktionen -Atemfrequenz: Hinweise zu Stress -Gehirnwellen (EEG): Hinweise zu Aktivitätsmodus im Gehirn (im Science Snack über Atmung erkläre ich die Gehirnwellen etwas genauer)

  • Hormonwerte: z.B. Cortisol - kann Hinweise zum Stresslevel liefern -Gehirn-Bilder (MRT): kann Hinweise zu Veränderungen im Gehirn verdeutlichen, z.B. in der Aktivität oder Verbindung verschiedener Areale

Wie wird gemessen?

Wenn Forschende sich eine Fragestellung überlegt haben, folgt die Auseinandersetzung mit passenden Methoden, um die Hypothese verifizieren oder falsifizieren zu können. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. In qualitativen Forschungsarbeiten werden in der Regel Interviews durchgeführt. Um sie verlässlich vergleichen und auswerten zu können, sind diese Interviews oft standardisiert oder teil-standardisiert. Was bedeutet das?

  • In* nicht standardisierten* Befragungen haben die Interviewenden oft nur Stichworte, die zur Orientierung dienen. Die Antworten können hier ganz offen gestaltet werden.

  • Teilstandardisierte Interviews enthalten vorgegebene Fragen, bei denen die Reihenfolge und die Antwortmöglichkeiten variieren können.

  • Für vollstandardisierte Interviews sind sowohl die Fragen (inkl. Reihenfolge) genau vorgegeben, wie auch die Antwortmöglichkeiten (z.B. eine Skala oder ja/nein). Hier gibt es meist nur wenige oder gar keine offene Fragen.

Für die Ergebnisse werden die Interviews mit strukturierten Methoden analysiert. Dabei wird auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Antworten geachtet. Und am Ende lässt sich im besten Fall ein Fazit ziehen, das einen Mehrwert für die Wissenschaft, die Allgemeinbevölkerung oder spezifische Zielgruppen mit sich bringt. Der kann zum Beispiel darin liegen, die Bedürfnisse spezifischer Gruppen genauer kennen zu lernen, sodass dann maßgeschneiderte Programme entwickelt werden können.

Beispiel: Wenn Forschende beispielsweise ein Achtsamkeitsprogramm für Schulen kreieren möchten, kann es hilfreich sein, zunächst Lehrkräfte, Eltern, Kinder, Schulleitungen, Schulsozialarbeiter:innen und alle anderen Beteiligten zu interviewen und ihre Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen. Teil-standardisierte Interviews könnten in einem solchen Fall Sinn ergeben, weil sowohl eine Struktur mit relevanten Themenfeldern vorliegt - z.B. zu Stresserleben, Herausforderungen und Übungs-Kapazitäten - aber auch noch die Möglichkeit bestehen bleibt, Impulse aus den Zielgruppen mit aufzunehmen. Die Herangehensweise kann also besonders dann sinnvoll sein, um neue Anwendungsgebiete zunächst einmal abzutasten und sich einen Überblick über Bedürfnisse und mögliche Mehrwerte zu verschaffen.


Am häufigsten finden in der Meditationsforschung allerdings quantitative Untersuchungen statt. Denn diese Weise ist in der Regel effizienter, um Daten von vielen Teilnehmenden zu sammeln. Und mit einem großen Datensatz steigt auch die Verlässlichkeit und Aussagekraft der Ergebnisse. Aber wie funktioniert quantitative Forschung? Hier werden Daten erhoben, die numerisch codiert - also in Zahlen ausgedrückt - und dann analysiert werden können. Diese Methode ermöglicht es, bestimmte Skalen und Konstrukte möglichst objektiv zu messen, zu vergleichen und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Der Achtsamkeits-Fragebogen Five Facets of Mindfulness hat beispielsweise fünf Skalen, die auch einzeln analysiert werden können. Er kann also zum Beispiel zeigen, dass die Facette nicht bewerten damit zusammenhängt, wie glücklich wir sind - während die Facette beschreiben dabei eher keine Rolle spielt.

Interessant sind oft auch Meta-Analysen. Hier fassen die Forschenden die Ergebnisse zahlreicher Studien zu einem Thema in einer einzelnen Arbeit zusammen. Zunächst wird dabei gründlich recherchiert, damit alle relevanten Studien in die Analyse einbezogen werden können. Im Verlauf werden die Ergebnisse der Einzelstudien gesammelt analysiert und diskutiert. Der große Vorteil an der Meta-Analyse ist, dass Forschende durch dieses Vorgehen oft auf viel größere Datenmengen zugreifen können, als eine einzelne Untersuchung. Das kann dann die Aussagekraft des Ergebnisses bekräftigen. Denn je höher die Fallzahl, desto besser ist es für die Aussagekraft.

Was sind eigentlich die Hintergründe der Meditation?

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Fazit

Ob eine qualitative oder quantitative Herangehensweise genutzt wird, hängt also vor allem von der Fragestellung ab. Es gibt hier kein wirkliches Besser oder Schlechter. Die beiden Methoden können auch sehr gut aufeinander aufbauen. Angenommen, wir möchten ein Achtsamkeitsprogramm für Berufseinsteiger:innen kreieren, dann könnte unser Vorgehen so aussehen:

  1. Als erstes Suchen wir nach Studien zu dem Thema, vor allem nach Meta-Analysen, um uns einen Überblick zu verschaffen. Meta-Analyse eignen sich hier besonders, weil sie in der Regel auf großen Datenmengen basieren und somit recht verlässliche Hinweise bieten.

  2. Anhand der Erkenntnisse, die wir daraus gewonnen haben, kreieren wir ein teilstandardisiertes Interview, mit dem wir die genauen Bedürfnisse der Gruppe abfragen.

  3. In einem nächsten Schritt interessiert uns vielleicht, welchen Einfluss Achtsamkeit auf bestimmte Parameter im Leben von der Zielgruppe hat. Dafür wählen wir uns passende, psychologische Fragebögen aus und machen eine breit angelegte quantitative Studie.

Die gewonnenen Erkenntnisse können wir dann nutzen, um ein Achtsamkeitsprogramm zu kreieren. Wie wir diese Intervention dann evaluieren können, erfährst du im nächsten Abschnitt.

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Wird etwas verändert?

Ein interessanter Faktor in Studien zu Achtsamkeit und Meditation ist oft auch, ob Interventionen - also Programme mit dem Ziel zu verändern - durchgeführt wurden oder nicht. In Untersuchungen *ohne Intervention *werden oft verschiedene Aspekte, z.B. Achtsamkeitsniveau und Stresslevel erhoben und dann im Hinblick auf ihre Zusammenhänge analysiert.

Bei Interventionsstudien liegt der Fokus auf der Veränderung. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel:

Innerhalb einer Gruppe wird ein Prä-Post-Vergleich gemacht. Die Studienteilnehmenden sind beispielsweise Teil eines Meditationskurses. Vorher und nachher läuft eine Datenerhebung, die die Basis für Vergleiche und Analysen bietet.

Eine Interventionsgruppe wird mit mindestens einer Kontrollgruppe verglichen. Auch hier werden oft Prä-Post-Vergleiche gezogen oder zu mehreren Messzeitpunkten und auch im Nachgang nochmal Daten erhoben. Auch in der Gestaltung der Kontrollgruppen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen aktiven, die auch eine Behandlung erhalten und passiven Kontrollgruppen, die keine Behandlung erhalten. Oft genutzte Verfahren sehen zum Beispiel so aus:

  • Die sogenannte Wartelisten-Kontrollgruppe: Die Proband:innen in dieser Gruppe warten ab, während die Interventionsgruppe ihre Maßnahmen durchläuft. Im Anschluss erhalten sie das gleiche Angebot, das auch die Interventionsgruppe genutzt hat.

  • Der Vergleich mit dem treatment as usual (TAU). Für einige Anwendungsgebiete gibt es Standardverfahren. Die können ebenfalls eine Kontrollgruppe bilden. So werden innovative Verfahren mit altbewährten vergleichen.

  • Immer wieder gibt es auch mehrere unterschiedliche Kontrollgruppen. So kann beispielsweise Achtsamkeitsmeditation mit progressiver Muskelentspannung, autogenem Training und einem theoretischen Wissenskurs verglichen werden. Zusätzlich gibt es dann vielleicht noch eine passive Kontrollgruppe, die gar keine Intervention erhält.

Natürlich kann bei Studiendesigns noch viel detaillierter in die Tiefe gegangen werden. Wichtige Aspekte können nämlich auch noch von den Messzeitpunkten, der Stichprobengröße oder den Berechnungsmethoden abhängen.

Ich hoffe, dass dir dieser Science Snack einen guten Überblick über die häufig verwendeten Forschungsmethoden in der Meditationswissenschaft ermöglicht hat und du neue Aspekte entdecken konntest, über die du noch nicht Bescheid wusstest.


Die Podcastfolge zum Artikel:


Über unsere Science Snacks: Unsere Psycholog:innen von 7Mind versorgen uns im Format "Science Snack" regelmäßig mit den neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft, rund um Psychologie, Achtsamkeit und Meditation. Alle Science Snacks findest du hier.

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