Umgang mit Neid: Was sagt die Psychologie?
Auf Social Media geben sich Neid und Bewunderung täglich die Hand. Natürlich gönnt man guten Freund:innen den Traumurlaub, doch manchmal schmerzt der Vergleich. Wie kann man achtsam mit Neid umgehen?
Du möchtest Neid in Dankbarkeit umwandeln? Dann hör mal in den 7Mind Kurs "Dankbarkeit":
7Mind kostenlos testenVon Alexandra Gojowy
Umgang mit Neid: Das sagt die Psychologie
Neid ist Nummer sechs der sieben Todsünden und ein Gefühl, das sich niemand gern eingesteht. Gute Menschen sind schließlich nicht missgünstig, oder?
Neid spaltet die Gemüter, dabei ist das Gefühl tief in uns verankert und aus evolutionsbiologischer Sicht sogar nützlich. Professor Antonio Cabrales von der Carlos Universität in Madrid geht davon aus, dass Neid uns in den Genen liegt. Schon früh in der Menschheitsgeschichte ging es darum, mehr als andere zu haben, denn nur so konnte man überleben.
Mittlerweile leben wir in einem Zeitalter des Überflusses, trotzdem ist der Wettstreit um besonders begehrte Ressourcen nicht überflüssig geworden. Ganz im Gegenteil. Ständig wird er befeuert durch Soziale Netzwerke, die heutzutage den ständigen solzialen Vergleich ermöglichen.
Neben Prominent:innen und Influencer:innen vergleichen wir uns aber immer noch am liebsten mit unserem eigenen Umfeld. Besonders schwierig wird es, wenn wir plötzlich auf nahestehende Menschen neidisch werden. Aber warum werden wir überhaupt neidisch?
In diesem Artikel erklären wir den Unterschied zwischen konstruktiven Neid und destruktivem Neid und geben einige Praxistipps, wie wir uns von Missgunst befreien können.
Richte den Fokus nicht nur auf das, was fehlt, sondern auf das, was du bereits hast. Der 7Mind Kurs "Dankbarkeit" begleitet dich dabei:
7Mind kostenlos testenNeid an der Oberfläche: Ich will das, was du hast
Fast jede:r zweite Social-Media-Nutzer:in weiß, was sich hinter dem Begriff “Influencer:in” verbirgt und jede:r Fünfte folgt selbst mindestens einem Social-Media-Star. In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ist es sogar fast jede:r Zweite!
Influencer:innen in den sozialen Medien lassen uns an ihrer Welt teilhaben, gleichzeitig wissen wir aber, dass uns diese nicht zugänglich ist. Gerade junge Menschen laufen Gefahr, der inszenierten Perfektion nachzueifern und orientieren sich langfristig an unrealistischen Idealen. Sozialpsychologin Vera King sieht das Phänomen ebenfalls kritisch:
"Es gibt schon länger einen Selbstoptimierungswahn. Das Sich-Vergleichen kann in diesem Zusammenhang ein gesundes Maß überschreiten. Denn wird das Ideal nicht erreicht, stellen sich Unzufriedenheit oder sogar Trauer und Wut ein". – Vera King
Zwei Arten von Neid
Doch nicht nur der Protz von Influencer:innen macht uns neidisch, sondern auch Dinge, die erreichbar scheinen. Wenn wir Menschen beneiden, die uns nahestehen, fällt es uns besonders schwer, sich das Gefühl des Neids einzugestehen. Klar kratzt es am Selbstbewusstsein, wenn die beste Freundin den scheinbar perfekten Job findet, während man selbst bereits das dritte Praktikum absolviert. Oder wenn der Kollege nach kurzweiliger Suche seine Traumwohnung bezieht, obwohl man seit Monaten keine Besichtigung verpasst hat.
Für diese Gefühle sollten wir uns keinesfalls verurteilen. Dr. Rolf Haubl, Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt, beschreibt Neid als ein neutrales Gefühl, für das wir uns nicht schämen sollten: "Ich sehe das von mir begehrte Gut im Besitz eines anderen und muss mit der Tatsache fertig werden, dass ich dieses Gut nicht bekommen kann".
Nach Haubl sei es entscheidend, ob man das Gefühl anschließend in positiven Neid (oder konstruktiven Neid) umwandeln könne. Ein Unterschied, mit dem sich nicht nur Emotionspsycholog:innen, sondern auch Wirtschaftsexpert:innen, zunehmend beschäftigen.
Möchtest du lernen destruktiven Neid in Dankbarkeit zu verwandeln? Wir haben den passenden Meditationskurs für dich:
Jetzt 7Mind downloadenWenn Neid produktiv macht
Persönlich bewerten wir Neid oft als ein schlechtes Gefühl. Psycholog:innen hingegen unterscheiden zwei unterschiedliche Arten von Neid, denn wie du jetzt weißt, kann Neid auch positiv sein. Dr. Haubl ist ebenfalls der Meinung, dass gutartiger Neid Ehrgeiz stimulieren und so durchaus produktiv sein kann. Im besten Fall heizt es den Konsum an und sorgt für gesunde Konkurrenz unter mehreren Mitstreiter:innen.
Auch Sozialpsychologin Katja Corcoran bezeichnet Neid als eine “Soziale Emotion mit negativem Image”, die nicht per se schlecht ist. Laut der Psychologin spornt uns guter Neid an und motiviert sogar zu besseren Leistungen. Thomas Mussweiler, Professor für Organisationspsychologie an der London Business School, bezeichnet guten Neid ebenfalls als eine “Spielart des Vergleichs”, die wir brauchen, um uns selbst einschätzen zu können.
Während positiver Neid eine aktivierende Wirkung haben kann, macht negativer Neid unglücklich und schlägt meist in Missgunst um. Missgunst entsteht aus dem Gefühl, die andere Person habe ihren Erfolg nicht verdient, oder aus dem Anspruch, immer besser sein zu wollen als andere. Missgunst hängt aber vor allem davon ab, wie hoch das eigene Selbstwertgefühl ist. Denn wer einen niedrigen Selbstwert hat, kann anderen nur schwer gönnen, was einem selbst versagt ist.
Mit Selbstvertrauen gegen Missgunst
"Menschen, die permanent mit dem Gefühl aufwachsen, zu wenig zu bekommen, tendieren eher zu Neidgefühlen", sagt Professor Haubl. Ein gesundes Selbstvertrauen schützt uns also vor Neid. Denn wer selbstbewusst ist, verliert nicht so schnell den Blick für die eigenen Erfolge und lässt sich durch den Vergleich mit anderen nicht gleich in eine negative Gedankenspirale stürzen.
"Menschen, die permanent mit dem Gefühl aufwachsen, zu wenig zu bekommen, tendieren eher zu Neidgefühlen." – Professor Rolf Haubl
Wie Achtsamkeit helfen kann
Achtsamkeit kann dabei helfen, Gefühle von Neid und Missgunst zu überwinden, indem sie das Vertrauen in die eigene Persönlichkeit stärkt. Wer über einen stabilen Selbstwert verfügt, macht die innere Zufriedenheit außerdem weniger abhängig von äußeren Umständen oder materiellen Gütern. Eine Studie der Technischen Universität in Berlin konnte sogar zeigen, dass regelmäßige Meditation die Lust am Materiellen mildert.
Doch auch andere Achtsamkeitsübungen, wie zum Beispiel Dankbarkeit, können dabei helfen, Neidgefühle zu verstehen und hinter sich zu lassen. Wir haben vier Praxistipps gesammelt.
Übe dich in Dankbarkeit, um negativen Neid loszulassen. Der 7Mind Kurs "Dankbarkeit" unterstützt dich dabei:
7Mind kostenlos testen4 Schritte, wie du Neid mit Achtsamkeit überwinden kannst
1. Nicht unterdrücken, sondern wahrnehmen und analysieren
Wenn du neidisch bist, musst du das Gefühl nicht unterdrücken. Vielmehr kannst du dich nach der Ursache fragen. Willst du aus Prinzip einfach der oder die Bessere sein oder ärgert dich vielleicht einfach nur die Art und Weise, wie die beneidete Person mit deren Errungenschaften prahlt?
Vergiss nicht, dass Neid menschlich ist und dir wichtige Hinweise darüber geben kann, in welchen Bereichen du deine eigenen Fähigkeiten und Erfolge nicht (ausreichend) wertschätzt.
2. Missgunst in konstruktiven Neid umwandeln
Jemand bekommt eine Gehaltserhöhung, obwohl du mindestens genauso hart arbeitest? Ein befreundetes Pärchen hat eine schwere Krise überwunden, während du mit deiner Beziehung haderst?
Lass dich durch den Erfolg der anderen motivieren, das eigene Leben anzugehen. Vielleicht hast du noch gar keine Gehaltserhöhung eingefordert oder gehst Konflikten in deiner Partner:innenschaft konsequent aus dem Weg? Versuche, dich durch deinen Neid motivieren zu lassen. Nimm es als Anlass, dir Ziele zu setzen. So gelingt dir vielleicht der erste Schritt auf dem Weg zu einem wichtigen Vorhaben.
3. Unrealistische Vergleiche loslassen
Wenn du merkst, dass dich die ständigen sozialen Vergleiche mit Social Media Stars unglücklich machen, dann hilft nur eins: Radikal entfolgen! Was du nicht siehst, wird dich auch nicht weiter beeinflussen. Vielleicht kannst du dir auch bewusst machen, dass viele Influencer:innen etwas erreichen, dass dir persönlich gar nicht unbedingt wichtig ist.
So kann Neid auch in Bewunderung verwandelt werden. Bewunderung setzt ein, wenn jemand etwas in einem Bereich geschafft hat, der für dich persönlich weniger oder gar nicht relevant ist. Dann sind die Bilder vom Jetset-Leben zwar schön anzuschauen, machen dich aber nicht mehr unzufrieden.
4. Schärfe deinen Blick für das, was du hast
Es ist kein Problem auf das zu schauen, was andere haben. Wichtig (auch für deine psychische Gesundheit) ist, dass du dich selbst nicht abwertest. Werde dir bewusst, was du schon erreicht hast und blicke mit Dankbarkeit auf dein eigenes Leben. So entsteht automatisch mehr Selbstakzeptanz und Gelassenheit. Wenn es dir noch schwer fällt, etwas zu finden, wofür du dankbar bist, kannst du zum Beispiel ein Dankbarkeitstagebuch starten. Dort notierst du jeden Abend drei kleine Dinge, die dich am Tag erfreut haben.
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7Mind kostenlos downloadenNeid darf dazugehören
Es macht keinen Spaß, Neid zu empfinden, allerdings ist es auch nicht schlimm. Jede:r kennt das Gefühl, neidisch zu sein. Wichtig ist, dass man trotzdem Zufriedenheit für das eigene Leben empfindet und unnötige Vergleiche ruhen lässt. Achtsamkeit kann dabei eine große Hilfe sein, vor allem wenn einen das Gefühl von Neid belastet. Wenn wir den Fokus auf das lenken, was wir haben, können wir uns auch aufrichtig für andere freuen und lernen vor allem, Wertschätzung für das eigene Leben zu entwickeln.
Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:
Fragen & Antworten
Welches Gefühl steckt hinter Neid?
Neid beschreibt das Gefühl, etwas zu begehren, das eine andere Person besitzt, ist oder erreicht hat. Das kann sich auf eine Person im näheren Umfeld beziehen oder auf soziale Vergleiche bei Social Media. Neid ist häufig negativ konnotiert - für viele gehen Neid und Eifersucht oder Missgunst Hand in Hand ("destruktiver Neid"). Allerdings kann Neid auch positiv sein. Konstruktiver Neid kann nämlich motivieren und in Ehrgeiz umschlagen.
Ist Neid immer negativ?
Kurz gesagt: Nein. Psycholog:innen unterscheiden zwei Arten von Neid: konstruktiver Neid und destruktiver Neid.
Destruktiver Neid wird oft mit Missgunst gleichgesetzt. Man gönnt der beneideten Person etwas nicht, wünscht ihr etwas Schlechtes, lästert oder empfindet Schadenfreude.
Konstruktiver Neid bedeutet, dass man etwas haben oder erreichen will, was eine andere Person auch besitzt oder erreicht hat. Dabei gönnt man der anderen Person aber ihren Erfolg oder Besitz. Diese Art des Neides spornt an und kann zu Höchstleistungen motivieren. Gutartiger Neid kann also sehr nützlich sein. Er inspiriert und treibt uns an, eigene Ziele zu erreichen.
Was kann man gegen Neid tun?
Vermeide unrealistische Vergleiche in den sozialen Medien und entfolge Kanälen, die deiner mentalen Gesundheit nicht guttun
Übe dich in Dankbarkeit und erinnere dich, was dich wertvoll macht - unabhängig von deinen Leistungen
Achtsamere Personen können Neid aus der Distanz betrachten und z.B. überlegen, welche Glaubenssätze dahinterstecken, ob es sich lohnt, an einem niedrigen Selbstwert zu arbeiten oder sich an eigene erbrachte Leistungen erinnern
Konstruktiver Neid: Statt destruktivem Neid versuche, Motivation aus dem Gefühl zu ziehen. Nimm es als Anlass, Ziele zu setzen und sieh es als Inspiration statt Bedrohung
Welche Sprüche zu Neid gibt es?
Es gibt viele Sprüche zum Thema Neid. Hier eine kleine Auswahl:
Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung. (Wilhelm Busch)
Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen. (Robert Lembke)
Neid ist der Schatten, den der Erfolg wirft. (Marilyn Monroe)
Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten. (Oscar Wilde)
Ein bisschen Freundschaft ist mir mehr wert als die Bewunderung der ganzen Welt. (Otto von Bismarck)
Bildquelle: Zohre Nemati auf Unsplash
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