Kommst du mit in den Wald? Was wir von Bäumen lernen können

Bäume leben miteinander in Harmonie und tun uns mit ihren Abfallprodukten sogar etwas Gutes. Ein neuer Blick auf die alten Riesen und was wir von ihnen lernen können.

Daniela Obers

Der Zauber des Waldes

Die intensive Coronazeit hatte wenigstens eine positive Komponente: Viele von uns haben das Spazierengehen für sich entdeckt. Gerade der herannahende Sommer lädt zu einer Runde durch den Wald ein. Die Blätter an den Bäumen sprießen, das Grün umgibt uns. Still ist es im Wald nie und trotzdem genießen wir seine ganz eigene Form der Ruhe. Hinzu kommt der unvergleichlich frische Duft, den man am liebsten in einem Einmachglas verschließen und mit nach Hause nehmen möchte, um immer eine Prise Entspannung zu schnuppern. Doch warum ist das so? Warum gilt der Wald als eine Oase der Entspannung für uns und trägt er tatsächlich zu unserer Gesundheit bei? Was können wir von der Natur, dem Wald und den grünen, zum Teil uralten Riesen lernen?

Die Sprache der Bäume

Ursprünglicher könnte unsere Beziehung zum Wald nicht sein: Er schenkt uns den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. An dieser Stelle könnte man den Artikel beenden, denn die Wichtigkeit des Waldes und der Pflanzenwelt insgesamt ist damit belegt. Ein Totschlagargument für das Leben quasi. Und doch, es gibt noch so viel mehr über den Wald zu lernen und zu bestaunen:

Seit den 80er-Jahren beschäftigen sich diverse Forschungsbereiche mit der Frage, warum uns der Wald so gut tut. Der Arzt Roger Ulrich stellte schon 1984 fest, dass Bäume einen messbaren Effekt auf Genesung haben (1). So untersuchte er Patienten, die nach einer OP aus dem Krankenhausfenster hinaus auf Bäume schauten und verglich ihre Genesung mit jenen Patienten, die sich mit einer tristen Hausmauer begnügen mussten. Die Patienten, die mit einer Aussicht ins Grüne gesegnet waren, benötigten weniger Schmerzmittel und wurden schneller gesund.

Auch der Biologe und Buchautor Clemens Arvay ist von den positiven Auswirkungen des Waldes auf unsere Gesundheit überzeugt: "Der Wald hilft uns gegen Depressionen, gegen psychische Stressbelastungen und Burnout. Aber er stärkt auch unser Immunsystem, kann uns vor ernsthaften chronischen Krankheiten schützen und sogar vor Herzinfarkt." Während eines Spaziergangs zwischen den grünen Riesen und all dem Vogelgezwitscher wird nachweislich unser Ruhenerv, der Parasympathikus, aktiviert, der für unsere Erholung bis auf Zellebene verantwortlich ist. Er lässt unseren Blutdruck und den Stresspegel sinken. Zudem wird die Ausschüttung des Hormons DHEA angekurbelt, das unser Herz-Kreislauf-System stärkt. Dieses Hormon wird sowohl im Alter als auch bei Stress weniger produziert. Waldluft enthält zudem 90% weniger Staubteilchen als die Luft in der Stadt. Anstelle von Staub gibt es eine Nase voll ätherischer Öle, die Bäume ausstoßen.

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Auch "Information-Overload" ist kein Thema im Wald. Zwar ist es hier niemals still, doch nichts von dem, was passiert, beansprucht unsere Aufmerksamkeit auf eine so gezielte und penetrante Weise wie beispielsweise der Straßenverkehr oder der Instagram Feed. US-Forscher nennen dies die „Attention Restoration Theory“ (2). Ein gezielter Fokus im Alltagsleben zieht uns oft Energie, die vielen aber weniger penetranten Reize im Wald entspannen uns. Der gestresste Körper gehört demnach in den Wald - Hallo Entspannung!

Kein Wunder, dass die Japaner aus dem Waldbaden, dem "Shinrin-yoku" eine echte Wissenschaft gemacht haben. Seit 2012 kann man die Fachrichtung Waldmedizin auch an japanischen Universitäten studieren.

Was können wir vom Wald lernen?

Der Wald war schon lange vor uns da (etwa 400 Millionen Jahre) und wird es hoffentlich auch nach uns noch sein. Dieses gesamte Ökosystem hatte also jede Menge Zeit, sich gemeinsam einzuspielen und ein Miteinander zu finden, das das Fortbestehen des Ökosystems bestmöglich sichert. Dabei sind kluge, soziale und nachhaltige Mechanismen entstanden. Bei den folgenden drei Aspekten können wir uns durchaus eine Scheibe abschneiden.

Gib deinem Team Zucker

Bäume sind echte Teamplayer. Die Grundvoraussetzung ist da natürlich, sich mit seinem Team austauschen zu können. Hierfür gehen Bäume eine besondere Freundschaft ein: Sie lassen es zu, dass sich ein dickes Geflecht aus Pilzen um ihre Wurzeln legt. Über dieses dichte Pilznetz werden biochemische Signale ausgetauscht - das ist das Kommunikationsnetz der Bäume. Von Deutschlands wohl bekanntestem Förster Peter Wohlleben wird es liebevoll als Wood Wide Web bezeichnet. Bäume warnen sich beispielsweise gegenseitig, wenn eine Borkenkäferinvasion droht. Ist ein Baum krank oder schwach, so bemerken das die Bäume um ihn herum und schicken ihm Zucker über das Wood Wide Web. Gemeinsam sichern sie ihr Fortbestehen und die Gesundheit. Und auch die Pilze gehen nicht leer aus: Sie nähren sich an dem Zucker, den die Bäume während der Fotosynthese produzieren. Bäume kämpfen nicht gegeneinander oder gegen ihr Pilznetzwerk, denn sie wollen auch gar nicht alleine und isoliert herumstehen. Wer sollte denn sonst beim nächsten Borkenkäfer Alarm schlagen? Sie wissen, im Team sind sie stärker. Dafür geben sie auch gern mal etwas Zucker ab.

Kein Platz für Gier

Von den Wurzeln gehen wir nun ein ganzes Stück den Stamm entlang nach oben bis in die Baumkrone. Die Plätze oben an der Sonne sind auch im Wald begehrt. Da Bäume sich jedoch nicht durch das morgendliche Werfen eines Handtuchs eben jenen Sonnenplatz sichern können, bleibt ihnen nur eines übrig: Wachsen. Auf die Baumkronen in einem Wald fällt 97% der Sonneneinstrahlung. Der Weg nach oben lohnt sich also. Doch auch hier sind Bäume sozial eingestellt. Haben sie ihre Höhe erreicht, hören sie auf zu wachsen. Sie haben kein Interesse daran, die anderen Bäume zu übertrumpfen. Auch besteht die Notwendigkeit nicht, da ihre Baumnachbarn auch so hoch wie nötig wachsen. Oben angekommen, teilen sie Humus und Nährstoffe mit ihren Nachbarn, da sie nun selbst nicht mehr in ihr Wachstum investieren müssen. Was wäre, wenn auch wir Menschen auf diese Weise zusammenleben würden? Ohne Reichtum zu horten, den man doch gar nicht benötigt? Stattdessen würden wir andere mit eben jenen überschüssigen Ressourcen helfen, um mit auf die sonnige Höhe des Lebens zu kommen. Oder man würde uns unter die Arme greifen, wenn die eigenen Ressourcen mal nicht ausreichen. Ziele und Profitgier würden nicht ins Unermessliche wachsen, denn wir wüssten ja ganz genau, wie viel wir für ein gesundes und glückliches Leben in Gemeinschaft brauchen.

Gesundes Wachstum braucht seine Zeit

Nur drei Prozent der Sonneneinstrahlung erreichen schließlich den Waldboden. Gut behütet unter dem dichten Blätterdach der großen Riesen, wächst dort der Nachwuchs heran. Die dichten Baumkronen der großen ausgewachsenen Bäume schirmen die Kleinen aus gutem Grund vor zu viel Sonneneinstrahlung ab: Durch die strenge Erziehung in Form von Lichtdrosselung wachsen die Bäume langsamer. Das führt dazu, das sie biegsam bleiben und robust werden - wenn auch erst in vielen, vielen Jahren. Die großen Bäume versorgen sie in dieser Zeit mit zusätzlichem Zucker über ihr Wood Wide Web. Auch hier setzt der Wald wieder auf eine langfristige und nachhaltige Denkweise. Gemeinsam sorgen die Bäume dafür, dass ihr Wald auf gesunde Weise heranwächst. Eigentlich logisch, oder?

"In Wirklichkeit sind Bäume ganz faszinierende Lebewesen, mit einem ganz reichen Sozialleben. Da findet jede Menge statt, was wir nicht so einfach sehen können, weil Bäume eben so langsam sind.", so Förster Peter Wohlleben. Eine Langsamkeit, die auch wir uns öfter gönnen sollten. Eine Langsamkeit die wir brauchen, um ein Gefühl für ein gesundes und nachhaltiges Wachstum zu bekommen.

Was ist nun, kommst du mit in den Wald?


Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:


Quellen:

  1. https://www.researchgate.net/publication/17043718_View_Through_a_Window_May_Influence_Recovery_from_Surgery

  2. https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/10937404.2016.1196155

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