Was bedeutet "Zuhause" und wie finde ich es?

In dieser schnelllebigen Zeit mit endlosen Möglichkeiten - wo fühlen wir uns noch Zuhause und was bedeutet das überhaupt? Hier sind 4 Reflexionsfragen.

Die einzige Konstante im Leben ist der Wandel. Das haben wir alle vermutlich schon einmal feststellen müssen. In einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, sehnen sich viele Menschen nach Zuhause-Gefühl, einem Platz im Leben, an dem man sich authentisch und zugehörig fühlt. Doch was bedeutet “Zuhause” eigentlich?

Die Qual der Freiheit

Noch nie hatten wir die Möglichkeit, uns mit so vielen Menschen auf dieser Welt auszutauschen, die Welt zu bereisen und unterschiedlichste Kulturen und Lebensweisen kennenzulernen. Die sozialen Medien lassen uns am Alltag fremder Personen auf der anderen Seite der Welt teilhaben; ferne Länder und Kulturen sind nur einen Flug entfernt und spätestens nach der Pandemie wurde “Remote Work” zur Norm. 

Doch diese Freiheit stellt uns auch vor viele Fragen: Wo möchte ich leben? Wem fühle ich mich zugehörig? Wo bin ich Zuhause?

Diese Fragen sind natürlich so individuell, dass es keine einheitliche Antwort darauf geben kann. Und für viele setzt sich Zuhause auch aus verschiedenen Aspekten zusammen.

Was bedeutet Zuhause?

Das Wort “Zuhause” assoziieren wir womöglich erst einmal mit einem Ort - mit unserer Wohnung, unserem Elternhaus, der Stadt oder dem Land, in dem wir aufgewachsen sind. Doch häufig geht es mehr darum, was wir mit diesen Orten verbinden - ein Gefühl von Gemeinschaft, Authentizität und Verbundenheit. Es ist nicht die Wohnung, sondern das Gefühl, so sein zu können, wie man ist, ohne eine Rolle spielen zu müssen; es ist nicht das Elternhaus, sondern die gemeinsamen Erinnerungen und die Vertrautheit der Menschen, mit denen wir aufgewachsen sind; es ist nicht ein Ort, sondern die Werte, Lebensweisen, Marotten, die uns prägen und unser Weltbild beeinflussen. Bei der Frage, wo wir uns Zuhause fühlen, können wir uns also auch die Frage stellen, wo wir Gemeinschaft und Authentizität erleben.

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Die Vielfalt an Gemeinschaften

Für viele von uns ist Familie der Ausgangspunkt unserer Gemeinschaftserfahrung. Es sind häufig die Menschen, mit denen wir aufwachsen, die uns prägen und einen wesentlichen Teil unserer Identität formen.In seinem Buch “Zuhause” erklärt Daniel Schreiber, dass “jede Sehnsucht […] im Grunde rückwärtsgewandt” sei [1]. Er bezieht sich auf Susan Stewarts, die erklärt, dass im Englischen die Wörter “longing” und “belonging” (dt. “Sehnsucht” und “Zugehörigkeit”) aus einem Grund miteinander verwandt sind: Sehnsucht wurzele häufig in Gefühlen, die wir früher schon einmal gespürt haben. Kein Wunder also, dass wir bei unserem Bedürfnis nach Gemeinschaft erst einmal an unsere Ursprungsfamilie denken.

Doch Gemeinschaft umfasst viel mehr als das. Schon 1887 unterschied Tönnies [2] zwischen Verwandtschaft (Gemeinschaft des Blutes), Nachbarschaft (Gemeinschaft des Ortes) und Freund:innenschaft (Gemeinschaft des Geistes). Und die Vielfalt der heutigen Welt ermöglicht es uns, Gemeinschaften sogar noch viel vielfältiger zu erleben: neben uns psychisch oder physisch nahen Menschen sowie religiösen oder spirituellen Gemeinschaften können wir uns ebenso kulturellen Gemeinschaften, kollegialen Teams im Arbeitskontext oder Online Communities zugehörig fühlen. Vielleicht hast du sogar schon mal ein Gemeinschaftsgefühl mit der Menschheit als Ganzes empfunden, beispielsweise als das Coronavirus ausbrach und Menschen auf der gesamten Welt beschäftigte.

Wie definierst du Zuhause für dich?

Das Wort “Zuhause” mag sich in diesen Kontexten mal mehr, mal weniger passend anfühlen. Doch letztlich können all diese Gemeinschaften einen Teil unserer Identität und unseres Zugehörigkeitsgefühls ausmachen. Vielleicht können wir “Zuhause” also etwas größer denken. Hier sind ein paar Anregungen, die dir auf der Suche nach Antworten Inspiration geben können:

1. Welche Werte sind dir wichtig?

Eine große Frage, der wir ruhig mehr Zeit schenken dürfen. Nach welchen Prinzipien richtest du dein Leben aus? Welche Überzeugungen prägen dein Handeln und Denken? Uns unserer Werte bewusst zu sein kann helfen, auch die Menschen und Gemeinschaften bewusster zu wählen, mit denen wir uns umgeben. Wenn wir uns in Umgebungen bewegen, in denen unsere Werte respektiert und geteilt werden, entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Verständnisses, das zu einem Zuhause-Gefühl beitragen kann.

So können auch sogenannte “Wahlfamilien” eine zentrale Rolle in unserem Leben einnehmen: Wahlfamilie beschreibt Menschen, die wir nicht aufgrund unseres Verwandtschaftsgrads, sondern aufgrund gemeinsamer Werte und Interessen als Familie betrachten. Das sind die Menschen, die wir als erstes anrufen, wenn wir Erfolge oder Sorgen teilen wollen. Vielleicht verbringen wir auch Feiertage mit ihnen oder leben sogar unter demselben Dach. Das Konzept der Wahlfamilie hat seine Wurzeln insbesondere in der queeren Community, wo die Bedeutung von Familie häufig neu definiert wird. Nachdem LGBTQIA+ Menschen möglicherweise Ablehnung oder mangelndes Verständnis in ihren biologischen Familien erlebt haben, verbündeten sie sich als Reaktion darauf bewusst mit Gleichgesinnten, um eine sichere und akzeptierende Gemeinschaft zu schaffen.
Das Konzept der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie, das früher oft als das einzig erstrebenswerte Modell galt, ist also längst nicht mehr die Norm. Faktoren wie finanzielle Abhängigkeiten oder Weitergabe des Erbes sind für viele nicht mehr so ausschlaggebend wie früher. Egal, für welches Modell wir uns entscheiden - wir haben die Chance, bewusst nach Gleichgesinnten zu suchen, denen wir uns verbunden fühlen.

2. Wann fühlst du dich authentisch?

Anknüpfend an die erste Frage kannst du auch reflektieren, in welchen Momenten oder Kreisen du dich am meisten wie du selbst fühlst. Wann kannst du ganz du selbst sein? Wann kannst du deinen Gedanken, Ängsten und Meinungen Raum geben, ohne Sorge zu haben, verurteilt zu werden? Wann zeigst du dich schwach, traurig oder auch stolz? Vielleicht fallen dir bestimmte Personen ein, vielleicht auch bestimmte Orte oder auch Momente, in denen du dir Zeit für dich alleine nimmst.

3. Welche Routinen oder Rituale verankern dich?

Womöglich fragst du dich jetzt, was Routinen und Rituale mit einem Zuhause-Gefühl zu tun haben. Wenn ich mich nach einem Zuhause-Gefühl sehne, steckt häufig auch der Wunsch nach Stabilität und Kontinuität dahinter. Dinge, auf die ich mich verlassen kann und die mir Halt geben, wenn sich die Welt um uns herum verändert. Routinen und Rituale können zu einem Gefühl von Stabilität beitragen. Von täglichen Routinen wie dem morgendlichen Kaffee im Bett bis zu festen Ritualen in unseren Beziehungen wie dem gemeinsamen Abendessen am Wochenende - solche Strukturen können dazu beitragen, dass wir uns im Alltag verankert fühlen. Gibt es bereits Routinen oder Rituale, die diesen Zweck für dich erfüllen? Oder möchtest du vielleicht neue initiieren?

4. Wann fühlst du dich mit dir selbst verbunden?

Wann hast du das Gefühl, einen guten Zugang zu dir selbst zu haben? Vielleicht, wenn du deine Gedanken beim Journaling nieder schreibst, beim Meditieren deine Innenwelt beobachtest oder dich in bestimmten Aktivitäten vertiefst, die dich erfüllen, inspirieren und dir Selbstausdruck verleihen? All das sind Möglichkeiten, dass wir uns nicht nur mit der Welt um uns, sondern vor allem mit uns selbst verbunden fühlen - ein wesentlicher Bestandteil des Zuhause-Gefühls. Letztlich bist du selbst deine größte Konstante im Leben, deine ganz eigene Komfortzone.
Und womöglich findest du ein Stück Zuhause nicht nur um dich herum, sondern auch in dir selbst.

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Quellen:

[1] Schreiber, D. Zuhause: Die Suche nach einem Ort, an dem wir leben wollen. Hanser Berlin; 2017.

[2] Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft. Buch I, § 6.

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