Weniger haben, mehr sein: Minimalismus als Achtsamkeitsübung

Erfahre, wie du in 5 Schritten dein Leben entrümpelst, dich ohne Verzicht reduzierst und nachhaltig denken lernst. Für mehr Achtsamkeit in deinem Alltag.

Von Sarah Schömbs

Ende November ist offizieller Kauf-nix-Tag. Ein konsumkritischer Tag in einer Welt, die mittlerweile von Konsum und Wachstum bestimmt wird. In einer Welt, in der du Milch per Online-Express bestellst, für 14,99 Euro in eine europäische Stadt deiner Wahl fliegst und Smartphones wie Socken wechselst.

Flicken, Reparieren, Aufmöbeln und Aufwerten sind in hippen Großstädten Trend, in der breiten Maße jedoch keine Selbstverständlichkeit. Während es früher normal war, die vom Fussball zerrissene Hose zu reparieren oder Socken zu stopfen, wandert das Kleidungsstück heute direkt in die Tonne. Und Sockenstopfen lernt kaum noch jemand. Es ist schlichtweg zu einfach und zu günstig, neu zu kaufen, anstatt zeit - und arbeitsintensiv zu reparieren.

Pünktlich zum Auftakt der Weihnachtszeit soll der Kauf-nix-Tag uns daran erinnern, was im Leben wirklich wichtig ist. Es geht an diesem Tag darum, sich der Wertigkeit der Dinge bewusst zu werden. Es geht darum, sich über Besitztümer Gedanken zu machen. Und damit einhergehend, was Verzicht für einen bedeutet. Denn Verzicht heißt nicht gleich, einen Mangel zu erfahren. Diese Tatsache macht der Minimalismus-Trend deutlich: Tiny-House, statt Penthouse-Wohnung. Jutebeutel, statt Plastiktüte. Selbermachen, statt blind zu konsumieren.

Wie funktioniert das nun, dieses minimalistische Leben? Wir zeigen dir Schritt für Schritt, wie du dein Leben entrümpelst und in Zukunft achtsam konsumierst.

Belastung statt Bereicherung?

Wir häufen Besitztümer an. Stetig, egal ob bei Tag oder beim Late-Night-Shopping über Amazon, werktags oder am Wochenende. Die Kleiderschränke sind überfüllt, die Küchenfläche kaum mehr frei und die Schubladen im Wohnzimmer könnten auch mal wieder ausgemistet werden. Doch was bedeutet das für unsere geistige Verfassung und unser Wohlbefinden?

Ähnlich chaotisch und überfüllt verhält es sich in unserem Kopf. Denn mit jedem Besitz geht Verantwortung einher und die Angst es zu verlieren, kaputt zu machen oder darauf verzichten zu müssen. Mit jedem Wunsch oder dem Bedürfnis etwas Neues haben zu wollen, entsteht Unzufriedenheit. Es entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis zu unseren Besitztümern, die uns vorgaukeln, frei, selbstbestimmt und unabhängig zu sein.

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Wieso sich reduzieren oder verzichten?

Ähnlich wie das Fasten von Nahrung den Körper entgiftet, bedeutet Minimalismus Detox für Geist und Seele. Echte Minimalisten reduzieren die Anzahl ihrer Besitztümer deutlich, verzichten auf überflüssigen Konsum und entschleunigen so ihr Leben. Denn für sie bedeutet weniger konsumieren, mehr Zeit für die Aspekte des Lebens, die ihnen wichtig sind und die das Leben lebenswert machen: Soziale Kontakte pflegen, eigene Talente in Form von Hobbys entfalten, kreativ werden und nachhaltig im Einklang mit der Umwelt leben. Für Minimalisten bedeutet weniger zu besitzen auch weniger Geldsorgen zu haben und im Rückschluss, unabhängiger zu sein.

Minimalisten sind sich auch dem Ablauf hinter jedem Objekt und hinter jedem Konsum bewusst. Es erscheint zwar manchmal so, als würde sich das Objekt deiner Begierde förmlich in den Online-Shop oder in das Ladenregal zaubern, dem ist aber nicht so. Hinter jedem Kaufobjekt steckt eine gesamte Wertschöpfungskette: Produktentwicklung, Menschen, die Arbeitsstunden investieren, teilweise unter bedenklichen Konditionen, Produktion, Logistik, Transport, Schadstoffemissionen, Einsatz von Chemikalien, Lagerung usw... Die Liste lässt sich endlos weiterführen und bis ins Detail ausweiten. Der Minimalismus ist demnach auch untrennbar mit dem Thema Nachhaltigkeit verbunden.

Minimalismus ist mehr als ein Trend, es ist eine Lebensweise, eine Grundeinstellung und Haltung gegenüber der Umwelt und sich selbst. Das bedeutet nicht, dass jeder gleich zu einem hardcore Minimalisten werden muss. Es reicht bereits, wenn du einen achtsamen Umgang mit den alltäglichen Dingen um dich herum pflegst. Jede noch so kleine, bewusste und nachhaltige Entscheidung, verändert letztlich das große Ganze.

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Schritt 1: Was ist zum Leben notwendig und wie viel davon?

Zu Beginn heißt es, Vergangenes loszulassen und Platz zu schaffen. Nehme dir Schritt für Schritt jedes einzelne Zimmer vor. Ausmisten und Aussortieren ist die Devise: Arbeite dich vom Großen Ganzen bis zu jeder noch so kleinen Schublade, Box oder Nische vor. Versuche eine objektive Haltung gegenüber deinen Habseligkeiten einzunehmen. Frage dich unabhängig von emotionalen Bindungen, Assoziationen und Co.: Brauche ich das wirklich?

Es wird dir zu Beginn sehr schwer fallen, dich von alten Erinnerungen und Kleidungsstücken zu trennen. Bald jedoch wirst du spüren, wie befreiend es ist, sich von dem, was war, zu trennen und achtsam das Leben im Hier und Jetzt zu gestalten. Frei von Oberteilen, die du bestimmt bald wieder anziehst, oder Schuhen, die ganz bald wieder im Trend sein werden. Frei von unnötigem Schnickschnack, der verstaubt in einer Ecke des Raumes vor sich hin träumt und seit geraumer Zeit nicht bewegt, betrachtet und benutzt wurde. Frei von unzähligen Cremes, Shampoos, oder Bodylotions, die im Badezimmer darauf warten, irgendwann wieder in Einsatz zu kommen.

Schritt 2: Meine Erinnerungs-Box

Natürlich sind wir nicht skrupellos. Wenn du innerlich gerade laut aufschreist und rebellierst, all die Erinnerungen, Postkarten, Tagebücher und Kleidungsstücke einfach loszulassen, kann es für den Übergang hilfreich sein, eine Erinnerungsbox zu erstellen. Eine kleine, die Betonung liegt auf kleine, Box, in der du die wirklich wichtigen Erinnerungsstücke und Habseligkeiten aufbewahrst. Eine persönliche Box voller Kostbarkeiten. Diese Box erhält dann einen eigenen Platz und falls du das Bedürfnis verspürst, in Erinnerungen zu schwelgen, hast du alles kompakt an einem Ort.

Schritt 3: Einen Moment bewusst innehalten

Wieso haben wir das ganze gemacht? In einem vollen Kopf ist kein Platz für neue Ideen und Kreativität. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Chaos um uns herum. Du hast dich nun nicht nur physisch, sondern auch mental von Objekten gelöst und verabschiedet. Auf einmal ist da Raum, eine positive Leere. Du hast Platz geschaffen. Du hast die Möglichkeit geschaffen für Neues. In einem aufgeräumten und reduzierten Umfeld, ist auch ein klarer und strukturierter Geist möglich. Diese Klarheit wird sich Schritt für Schritt auf jegliche Bereiche deines Lebens ausweiten.

Schritt 4: DIY und Upcycling

DIY steht für Do It Yourself. Eine kleine Gegenbewegung zur Wegwerfgesellschaft, die zeigt, wie viel du eigentlich selber machen kannst.

Von Deko bis hin zu Deo ist alles möglich. Das schöne an diesem Trend ist, dass du dich sowohl mit den Inhaltsstoffen, als auch mit den Verarbeitungsprozessen beschäftigst. Wenn jemand schon einmal eine Tasse getöpfert hat, dann wird er eine ganz andere Haltung und Wertschätzung gegenüber Keramikgeschirr haben. Ähnlich überraschend verhält es sich mit der Herstellung von Kosmetik. Du entscheidest, welche Inhaltsstoffe in deine Creme und schließlich auf deine Haut gelangen. Keine Paraffine, Panthenole, Sulfate, Decyl Oleate, Aluminum Stearates oder andere Schadstoffe.

Mit dem Upcycling verhält es sich ähnlich. Was vor einiger Zeit als vollkommen normal erachtet wurde, ist heute neu. Es geht darum, Abfallprodukte oder vermeintlich nutzlose Stoffe und Nebenprodukte aufzuwerten oder in neue Produkte umzuwandeln. Ein Beispiel ist das Berliner Start-up Kaffeeform, welches alten, gebrauchten Kaffeesatz in einen neuen Rohstoff umwandelt. Aus diesem wiederum neue Kaffeetassen geformt werden.

Schritt 5: Du hast die Wahl

Konsumieren ist keine Nebentätigkeit und genauso wenig ein Ersatz, um Emotionen oder Gefühle zu bewältigen. Eine Kaufentscheidung ist etwas Bewusstes und du hast nun die Möglichkeit, Produkte zu hinterfragen und deinen Werten entsprechend zu agieren. Mit jedem Kauf hast du die Chance, deinen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und ein faires Miteinander zu leisten. In Zukunft heißt es informieren, statt blind zu konsumieren.

Frage dich, unter welchen Bedingungen die Herstellung verlief, welche Schritte hinter diesem Produkt stecken, welche Ressourcen benötigt wurden, Menschen, Länder… Im nächsten Gedankenschritt kehrst du zu Schritt 1 zurück und fragst dich: Brauche ich das wirklich?

Außerdem ist es hilfreich, während des Einkaufens konkrete Fragen zu stellen. Traue dich in den Läden um weitere Informationen und Auskünfte bezüglich Produktion, Inhaltsstoffe oder Herkunftsland zu bitten. Erkundige dich direkt über die verschiedenen Zertifikate, Labels und Co. So signalisiert du nicht nur dem Ladeninhaber ein Interesse an nachhaltigen Produkten, sondern veränderst vielleicht sogar die gesamte Warenstruktur. Wie bereits gesagt, jede noch so kleinste Veränderung verändert schließlich das Gesamtbild.

Wie du siehst, haben die 5 Schritte einen Grundgedanken gemein: Weniger Haben, mehr Sein. Denn sich zu reduzieren, nachhaltig zu denken, sich aktiv mit etwas auseinanderzusetzen und sich seiner wahren Bedürfnisse bewusst zu werden, bedeutet achtsam im Hier und Jetzt zu leben.

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