Was brauchen wir für eine gute Entscheidung?
Zeit, sich von der Illusion von der einen richtigen und schnellen Entscheidung zu verabschieden. Gute Entscheidungen treffen, wie geht das eigentlich?
Von Daniela Obers
Die Blaupause für die richtige Entscheidung gibt es nicht
“So triffst du schnelle und perfekte Entscheidungen” – Um solche Versprechungen sollten wir einen weiten Bogen machen. Warum? Weil sie leider nicht realistisch sind. Zumindest wenn wir den Anspruch haben, gute Entscheidungen zu treffen.
Das liegt an zwei Gründen:
1. Richtig und falsch gibt es bei komplexen Entscheidungen meist nicht
Im ersten Teil dieser Serie zu Entscheidung ging es um die Komplexität unserer Welt – und wie diese es uns schwer macht, Konsequenzen einer Entscheidung vorab einzuschätzen. Ist nun die Entscheidung an sich eine offene und komplexe, so darf man zunächst dieser einen Wahrheit ins Auge blicken: Es gibt kein richtig oder falsch. Die Entscheidung für oder gegen ein Job-Angebot, die Entscheidung für oder gegen einen Urlaubsort: Niemals ist eine der Optionen hier komplett falsch oder richtig. Wir sollten uns von dem schwarz-weiß Denken verabschieden. Nehmen wir das einmal an, kann es uns eine große Last von den Schultern nehmen.
Eine Entscheidung kann demnach zwar nicht die einzig richtige und perfekt sein, aber – und das sollten wir uns nach einem Entscheidungsprozess stets vor Augen halten – sie kann gut genug sein. Auf der Suche nach dem neuen Smartphone können wir uns im Informationsdschungel verlieren; nur um festzustellen, dass jedes der Modelle etwas für sich hat. Es empfiehlt sich daher, vorab in uns hinein zu hören: Was ist mir hier wichtig? Welche Aspekte machen mich zufrieden, was brauche ich? Ist das mit der letztendlichen Entscheidung gegeben, so ist sie gut genug. Haken dran und weiter geht es.
2. Entscheiden ist ein Prozess
Stehen wir vor großen und wichtigen Entscheidungen, so wollen wir diese manchmal einfach schnell hinter uns bringen. Der Griff zum Ratgeber “So triffst du schnelle und perfekte Entscheidungen” ist da sehr verführerisch, oder? Spar dir das Geld und sieh der Realität ins Auge: Entscheidungen können gute werden, wenn wir uns ausreichend Zeit für sie nehmen. Wir urteilen weder aus einem ersten Bauchgefühl oder einer oberflächlichen Recherche heraus gut. In der Organisationsforschung stellte sich nach jahrzehntelangen Studien heraus: Gute Entscheidungsprozesse sind den herkömmlichen, meist schnellen Entscheidungsfindungen um das sechsfache überlegen. Fragen wir uns also:
Warum braucht eine gute Entscheidung Zeit?
Kurz gesagt: Weil wir kein stets rational handelnder, allwissender Homo oeconomicus sind. Stimmungsschwankungen, Tageszeit, Druck und und und… die Liste der Faktoren, die auf unsere Urteilsfähigkeit einwirkt, ist endlos lang. Aus einer Laune oder einem bloßen Bauchgefühl heraus sollte niemals eine wichtige Entscheidung getroffen werden. Der altbekannte Tipp "Schlaf mal eine Nacht darüber" hat im Kontext komplexer und wichtiger Entscheidungen durchaus seine Berechtigung. Geben wir einer Entscheidung Zeit, so kann sie in einer Balance aus Bauchgefühl und rationalem Denken getroffen werden.
Außerdem begleiten uns jede Menge kleiner Denkfehler, die sich ganz automatisch einschleichen: Wir verschätzen uns bei Wahrscheinlichkeiten, laufen der Herde hinterher oder bemerken nicht, wie eine bestimmte Wortwahl uns beeinflusst. Diese Denkfehler zu erkennen, benötigt Zeit, einen Perspektivwechsel und ordentliche Recherche. Für die komplexen Entscheidungen im Leben kann dir dir WRAP-Methode helfen.
Der Entscheidungsprozess in WRAP-Geschwindigkeit
Die Professoren Brüder Dan und Chip Heath von der Duke und Stanford University erforschen Entscheidungsprozesse seit Jahrzehnten. Sie haben den WRAP-Prozess für Entscheidungen entwickelt. Anders als ein Warp-Antrieb bei Star-Trek ist der Prozess ganz und gar nicht schnell – und passt damit sehr viel besser in den Bereich der Entscheidungen als in die unendlichen Weiten des Weltalls.
Und so geht die WRAP-Methode Schritt für Schritt:
W wie Weiten der Wahlmöglichkeiten
Werden wir vor eine Entscheidung gestellt, so ist diese häufig verknüpft mit einem direkten “Willst du Option A oder Option B?”. Wird dir suggeriert, das wären die einzigen Optionen, so sollte eine Warnleuchte in dir aufblinken: Es gibt immer noch weitere Möglichkeiten. Wechsle bewusst von geschlossenen in offene Fragestellungen. Frage dich mindestens fünf mal selbst: Was noch? Erweitere das Spektrum der Optionen. Verlangt uns jemand eine Entscheidung ab, so ist die Fragestellung schon in eine bestimmte Formulierung eingebettet, einen sogenannten Rahmen. Erkenne Scheinalternativen und falle nicht auf Vorschläge herein, die man “nicht ablehnen könne”.
Dir fällt die Suche nach weiteren Alternativen schwer? Dann suche das Gespräch mit einem Experten in diesem Bereich.
R wie Realitätsprüfung
Bei der Realitätsprüfung geht es darum, dem eigenen “Schönreden” ein Ende zu bereiten. Wir fühlen uns intuitiv zu einer Option hingezogen. Vielleicht weil sie der Weg des geringsten Widerstandes ist, weil wir für sie nicht unsere Komfortzone verlassen müssen oder wir mit ihr jemand anderen glücklich machen und Streit vermeiden. Wir beginnen uns diese Option schönzureden und unterliegen damit dem sogenannten “confirmation bias”. Die Wahrnehmung wird selektiv und wir schenken nur noch dem Beachtung, was in unsere schöngeredete Option hineinpasst. Bei der Realitätsprüfung sollten wir uns gezielt Informationen suchen, die gegen unsere präferierte Option sprechen. Und dann? Sei dein eigener Kritiker.
Die Brüder Heath empfehlen außerdem sogenannte Mikroentscheidungen. Bevor wir z. B. umziehen, können wir es erst einmal mit einer Urlaubswoche in dieser Region versuchen.
A wie Abstand gewinnen
Und nun heißt es: Loslassen! Die ersten beiden Schritte beleuchten das ganze Drumherum, alle externen Faktoren. Sie ziehen uns absolut hinein in die Materie und lassen uns manchmal an nichts anderes mehr denken. Beschäftige dich nun einmal mit etwas vollkommen anderem. Genieße die Natur, rufe einen Freund oder eine Freundin an oder meditiere eine Runde. Lass deinen Geist zur Ruhe und auf andere Gedanken kommen.
Erledigt? Dann ist nun ist ein Perspektivwechsel angesagt. Beispielsweise kannst du das mit einem Brief an dich selbst erreichen. Schreibe über die Entscheidung aus der Sicht eines guten Freundes oder einer guten Freundin an dich.
Autorin Suzy Welch schlägt zudem die 10/10/10 Methode vor: Frage dich, wie sich die Entscheidung auf dein Leben in 10 Minuten, 10 Monaten und 10 Jahren auswirkt.
Spiele mit Perspektiven.
Nach diesen 3 Schritten hast du alles getan, um dich gut entscheiden zu können: Was wirst du also tun?
P wie Problemvorsorge
Moment, haben wir uns jetzt nicht entschieden? Sind wir denn nicht beim oben erwähnten “gut genug” angekommen? Das Modell der Heath-Brüder geht noch einen Schritt weiter. Sie beleuchten einmal ganz bewusst in das Worst Case Scenario und empfehlen, dieses einmal in aller Detailtiefe aufzuschreiben. Es hilt uns, zu erkennen, wann wir gegensteuern sollten, wenn eine Entscheidung nicht wie gehofft aufgeht. Der Schritt sensibilisiert uns auch für die Zukunft - damit wir schneller spüren, wenn wir mit einer Entscheidung auf dem Holzweg sind.
Und dann? Daraus lernen und weitermachen.
Die Podcastfolge zum Artikel:
Bild: John Diez auf Unsplash
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