Warum bin ich so, wie ich bin: Persönlichkeitsentwicklung
Die Erziehung, die Kombination unserer Gene oder gesammelte Erfahrungen – erfahre, wie diese drei großen Faktoren unsere Persönlichkeit beeinflussen und was du akzeptieren oder ändern solltest.
Persönlichkeitsentwicklung: Was macht dich aus?
Dieser Artikel ist ein Transkript aus dem 7Mind Podcast mit René Träder. Wenn du die komplette Folge anhören möchtest, klicke hier:
Hi und herzlich willkommen im 7Mind Podcast. Mein Name ist René Träder und das ist die 168. Impulsfolge. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm - so heißt es zumindest. Doch stimmt das auch? Wie stark hängen unser Charakter, unsere Talente und unsere Neigungen eigentlich von den Genen und damit von unseren Eltern ab?
Ich stelle dir zwei Studien vor, die genau diese Frage untersucht haben und am Ende bekommst du außerdem noch eine Reflexionsübung von mir, die Lust macht, dich selbst noch mal ein bisschen besser kennenzulernen. Zum Einstieg kannst du dich schon mal fragen, zu wie viel Prozent dein Optimismus - also wie positiv oder wie negativ du auf die Welt, auf dein Leben, auf dich selbst blickst - durch deine Gene bestimmt wird. Ich biete dir schon mal drei Antwortmöglichkeiten an:
Der Grad deines Optimismus ist zu… A rund 13% genetisch beeinflusst B rund 25% genetisch beeinflusst C rund 60% genetisch beeinflusst
Starten wir doch einmal mit einer kleinen Genetik-Session: Jede gesunde Zelle unseres Körpers - und davon haben wir mehrere Billionen - hat 46 Chromosomen. 23 stammen von der Mutter und 23 stammen vom Vater. Unser Genpool besteht also zu 50% aus beiden Elternteilen. Diese Chromosomen befinden sich im Zellkern und zwar in Form dieser geschwungenen Doppelhelix. Auf diesen Chromosomen befinden sich ungefähr 25.000 Gene. Diese Gene stellen dann eine Art “Bauplan” da. So entscheidet sich beispielsweise, wie unsere Augenfarbe oder wie unsere Hautfarbe ist. Allerdings sind nicht alle Gene in gleicher Weise aktiv. Einige von ihnen werden z.B. erst durch bestimmte Erlebnisse und Erfahrungen oder eben auch durch unsere Lebensweise aktiviert.
Was Zwillingsstudien über den Einfluss der Gene verraten
Das kann man gut erkennen, wenn man sich eineiige Zwillinge anschaut: Obwohl sie genau den gleichen Genpool besitzen, lassen sich bei ihnen Unterschied erkennen, vor allem je älter sie werden. Daraus kann man schließen, dass auch unsere Lebensweise, unsere Erfahrungen und auch die Umgebungs- und Umweltbedingungen eine Rolle spielen können bei unserer Entwicklung. Besonders deutlich wird das, wenn man sich erwachsene, eineiige Zwillinge anschaut, die getrennt voneinander aufgewachsen sind - beispielsweise, weil die Eltern sich scheiden ließen und ein Kind bei der Mutter und ein Kind bei dem Vater gelebt hat. Trotz aller Unterschiede, die man entdecken kann, wurde in diesen Studien immer wieder festgestellt, dass sich diese Personen in ihrer Persönlichkeit, also in ihrer Art, wie sie sind, oft ähneln. Daraus lassen sich schon mal zwei Aspekte ablesen: Erstens, unsere Gene scheinen einen großen Einfluss zu haben auf unseren Charakter. Zweitens, die Umgebungsbedingungen können ebenfalls einen Einfluss auf uns haben.
Das leuchtet ja auch ein: Wenn das eine Kind z.B. in der Adoptivfamilie über Jahre hinweg Gewalt erlebt hat und in der Schule vielleicht auch noch zusätzlich gemobbt wird, dann würde man ja auch nicht erwarten, dass es sich identisch zu seinem eineiigen Zwillingen entwickelt, der z.B. in einer liebevollen Familie aufwächst und der in der Schule starke soziale Beziehungen hat.
Doch wie stark ist denn nun der Einfluss der Gene und der Einfluss der Umwelt, der Umgebung? Die Antwort lautet: Das lässt sich nicht verallgemeinern. Das kann für verschiedene Aspekte unserer Persönlichkeit sehr unterschiedlich ausfallen und in vielen verschiedenen Studien sind häufig 50:50 Verhältnisse rausgekommen.
Was ein Experiment über Großzügigkeit zeigte
Durch genetische Studien kam z.B. raus, dass Großzügigkeit einen großen genetischen Anteil hat. Dafür haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine genetische Variation des sogenannten AV PR 1A Rezeptors angeschaut - wer kennt ihn nicht!
Dieser sogenannte Vasopressin Rezeptor 1a hat einen Einfluss auf unser zwischenmenschliches Verhalten und wird in Verbindung gebracht mit einem z.B. narzisstischen Verhalten oder auch mit einem freundlichen Verhalten. Deshalb sind auch die Wissenschaftler*innen davon ausgegangen, dass er etwas mit Großzügigkeit zu tun haben kann.
Die Studie lief so ab, dass ein spielerisches Experiment durchgeführt wurde: Eine Person bekam 100$ und hatte die Aufgabe, das Geld mit einer anderen Person aufzuteilen. Sie konnte aber frei entscheiden, wie sie das macht. Und wenn die andere Person mit dem Vorschlag einverstanden ist, dann bekommen beide ihren jeweiligen Anteil, so wie die erste Person das vorgeschlagen hat. Ist die andere Person aber nicht damit einverstanden, gehen beide leer aus.
Wenn du nun also 100€ bekommst und die mit mir teilen sollst, wie viel Geld würdest du mir also anbieten? Wirst du sagen: Rene, ich gebe dir 50€, dann haben wir beide genauso viel - ist doch fair. Vielleicht denkst du aber auch: Wenn Rene aber nein sagt, dann kriege ich ja auch nichts. Deshalb erhöhe ich mal die Wahrscheinlichkeit, dass er ja sagt und ich biete ihm 60€ an - 40€ für mich ist immer noch super und wenn ich 60 sage, dann wird er das wahrscheinlich annehmen. Oder vielleicht denkst du: Na ja, da ich ja den Auftrag bekommen habe, das Geld zu verwalten und Rene ja auch leer ausgeht, wenn er nein sagt bitte ich ihn nur 40€ an, denn diese 40€ sind für ihn immer noch interessanter als gar kein Geld zu bekommen.
Du siehst an diesen Szenarien: Es gibt hier keine Standardlösung. Menschen verhalten sich sehr verschieden. Denk auch mal an Verhandlungen bei ebay-Kleinanzeigen oder an Gehaltsverhandlungen oder Honorar Verhandlungen.
In dieser Studie hat man festgestellt, dass die genetischen Unterschiede zu 50% etwas damit zu tun hatten, ob die Personen großzügiger waren oder nicht. Und nicht großzügig zu sein, kann auch einen evolutionären Vorteil haben. Großzügig zu sein, ist eben etwas Gutes für die Gemeinschaft, das Miteinander, für eine stabile Beziehung - aber nicht so großzügig zu sein, sondern mit den Ressourcen eher sparsam umzugehen, kann eben auch einen Evolutionsvorteil bedeuten und kann deshalb auch genetisch sinnvoll sein.
70 Billionen Varianten, wie du sein könntest!
Bevor ich dir die Auflösung zum Optimismus erzähle, möchte ich noch einmal kurz zurückkommen zu den Genen, die wir von unseren Eltern bekommen haben. Du erinnerst dich ja: Du hast 23 Chromosomen von deinem Vater und 23 Chromosomen von deiner Mutter - aber die jeweiligen die Gene, die können sehr verschieden sein, die du bekommst. Es gibt rein rechnerisch rund 70 Billionen Varianten, wie du sein könntest. Du bist ja nicht einfach nur halb Mutter und halb Vater. Und wenn du als Mann einen Bruder hast oder als Frau eine Schwester hast, dann ist die andere Person auch nicht genauso wie du, sondern die ist möglicherweise völlig anders, schon allein optisch, obwohl ihr die gleichen Eltern habt und eure ganz individuellen Gene, auch zu 50% vom Vater und zu 50% von der Mutter kommen.
Aber es werden nicht immer die gleichen Gene vererbt, auf diesen jeweils 23 Chromosomen. Daher kommen diese 70 Billionen Varianten, wie du rein theoretisch sein könntest. Das bedeutet, unsere genetische Ausstattung ist eine Art Lotterie und zumindest was unsere Gene angeht, da können wir unseren Eltern keine Vorwürfe machen. Sie können eben nur das weitergeben, was sie selber in sich haben kann. Und was sie an uns weitergeben genetisch, das können sie ja nicht beeinflussen und das ist vielleicht auch gut so! Stell dir mal vor du würdest rauskriegen, dass du so bist wie du bist, weil deine Eltern dich so bestellt haben, dich so zusammenbauen ließen im Labor, weil sie gerne so ein Kind hätten. Das wäre doch auch gruselig.
Die vorhin schon erwähnten Zwillingsstudien sind auch interessant, wenn wir uns den Optimismus angucken. Eine Studie aus den 90er Jahren hat sich mehr als 500 Erwachsene Zwillingspaare angeschaut und einige von ihnen waren eineiige Zwillinge und andere waren zweieiige Zwillinge. Einige der Personen wuchsen zusammen auf und einige wuchsen getrennt voneinander auf und einige wuchsen bei ihren leiblichen Eltern auf und andere bei ihren Adoptiveltern. Durch solche Studien lassen sich Unterschiede genauer zurückführen - entweder auf die Gene oder auf die Erziehung oder auf den Rest, also alle anderen Einflussfaktoren, die wir im Laufe unseres Lebens haben.
Ist Optimismus gegeben oder kannst du ihn beeinflussen?
Die Quizfrage war: Zu wie viel Prozent hängt der Grad unseres Optimismus von unseren Genen ab? In dieser Studie kam raus, dass der Grad unseres Optimismus zu rund 13% von unserer Erziehung abhängt - also von den direkten Bezugspersonen in unserer Kindheit und was wir mit diesem Bezugspersonen erleben. Offen bleiben also noch das Tortenstück mit dem 25% und das Tortenstück mit dem 60%. Es kam raus, dass die** genetische Ausstattung **den Optimismus bei den mehr als 1000 Personen in dieser Studie zu rund 25% erklärt hat.
Und damit hängen die rund 60% von vielen anderen Aspekten ab. Dadurch können wir tatsächlich etwas dafür tun, um optimistischer zu sein. Auf mehr als die Hälfte unseres Optimismus haben wir also in gewisser Weise einen Einfluss.
Warum du deine Persönlichkeit mitbestimmen kannst
Egal, wie du aufgewachsen bist, egal aus was für einer Familie du kommst, du bist eine eigenständige Person, die zwar ein gewisses genetisches Erbe in sich trägt, das sich nicht einfach abschütteln lässt. Aber deine Art zu denken, deine Art zu fühlen und deine Art, dich zu verhalten, kannst du zu einem großen Teil selbst mitbestimmen. Wenn du also in einer liebevollen Familie aufgewachsen bist, dann freu dich, dass in dir quasi schon ganz viel Resilienz steckt, einfach durch deine Gene.
Wenn das nicht der Fall war, dann mach dir bewusst, dass du dich Tag für Tag dazu entscheiden kannst, bewusst anders zu sein und dadurch neue, positive Erfahrungen möglich machst. Gerade die Ergebnisse beim Optimismus finde ich stark: Gene und Erziehung machen zusammen weniger als 40% aus. 60% des Optimismus hat nichts mit unserem Familienhintergrund zu tun und diese Erkenntnis lässt sich auch viele andere Aspekte in uns übertragen.
Reflexionsübung: Warum du bist, wie du bist
Ich möchte dir zum Abschluss gerne eine Übung vorstellen: Da darfst du auch ganz unwissenschaftlich einmal rangehen, da musst du jetzt nicht erst eine Genstudie machen. Vielleicht nervt dich bei dir selbst dein Ordnungsfimmel oder dein Perfektionismus, deine Unpünktlichkeit oder vielleicht, dass du schüchtern bist oder dass du bindungsängstlich bist.
Gehen wir mal vereinfacht davon aus, dass es immer diese drei großen Einflussfaktoren gibt: Die Gene, die Erziehung und alle anderen Erlebnisse und Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens machen. Wie stark würdest du, wenn du an deine Eltern denkst, sagen dass z.b. deine Schüchternheit genetische Ursachen haben kann. Wie stark könnte prozentual gesehen, die Art, wie du erzogen worden bist, hineinspielen und welche weiteren Aspekte, die du durch die Schule oder die Arbeit, die Freunde oder auch durch bewusstes Training erlebt hast, spielen wohl eine Rolle dabei, wenn du besser verstehen willst, wieso du so schüchtern bist, wie du bist.
Da kannst du dir gerne mal so einen Kreisdiagramm machen und drei Tortenstücke zeichnen. Vielleicht fallen dir gerade bei dem dritten Tortenstück, also den Dingen, die nichts mit deinen Genen zu tun habe und nichts mit deiner Erziehung zu tun haben, Plus- und Minus-Faktoren ein.
Also ganz konkret: Gab es mal in der Schule eine Situation in der du ausgelacht wurdest als du vorne standest und ein Black Out hattest und hat vielleicht sogar der Lehrer oder die Lehrerin mit gelacht - und das war so extrem peinlich für dich, dass du am liebsten im Erdboden versunken wärst und dadurch ist deine Schüchternheit noch mal in besonderer Weise verstärkt worden.
Was solltest du akzeptieren, was kannst du verändern?
Je klarer einem die eigene Geschichte wird, desto klarer wird man auch nach vorne schauen und sich fragen können, wie kann ich denn diesen dritten Einflussfaktor* Erlebnisse und Erfahrungen *bewusst gestalten, um in diesen Beispielen ein bisschen mehr Sicherheit zu entwickeln und meine Schüchternheit abzulegen, obwohl ich wahrscheinlich eine genetische Veranlagung für Schüchternheit habe und auch zu Schüchternheit erzogen wurde? Am besten fährt man hier eine Doppelstrategie, nämlich aus Akzeptanz und aus Förderung.
Damit meine ich, dass man sich die Zeit und die Energie nimmt, um sich zu verändern, aber sich auch bewusst macht, dass man sich nicht zu 100% neu formen, neu erfinden kann. Denn das sind ja zwei ganz wichtige Resilienzfaktoren: Das akzeptieren, was nun mal so ist wie es ist, was vielleicht auch nicht veränderbar ist, und damit seinen Frieden finden und ein schönes Leben haben, trotz oder mit dieser Dinge.
Und auf der anderen Seite,Verantwortung für das übernehmen, was veränderbar ist und in kleinen Schritten dafür sorgen, dass man Dinge anders wahrnimmt, dass man anders denkt über etwas oder über sich, dass man anders mit seinen Emotionen umgeht und dass man sich eben auch anders verhält, um neue Erfahrungen möglich zu machen und sich doch ein bisschen zu formen.
Was muss ich akzeptieren, was kann ich verändern? Diese beiden wichtigen Fragen möchte ich dir gerne mitgeben. Wenn du Lust hast, diese Übung zu machen, dann frage dich: Von allen mal diesen drei Tortenstücken, wie setzen die sich bei dir zusammen, bei genau dem Aspekt, der dich beschäftigt?
Dieser Artikel ist ein Transkript aus dem 7Mind Podcast mit René Träder. Wenn du die komplette Folge anhören möchtest, klicke hier:
Foto: Cup of Couple auf Pexels
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