Runter von der Couch! Mach Schluss mit Sonntags-Blues

Laut einer Forsa Umfrage haben sich 19% der Befragten vor allem eine Sache für dieses Jahr vorgenommen: weniger fernsehen. Dabei geht es vor allem um Balance.

Von Alexandra Gojowy

Kaum ist Wochenende, schon ist der Kalender voll: Parties, der Bummel über den Wochenmarkt, Freunde treffen, Erledigungen machen und endlich mal wieder ein ausgefallenes Rezept kochen. Sonntagabend stellen wir dann erschrocken fest, dass wir kaum von dem Weg zwischen Couch und Kühlschrank abgekommen sind und stundenlang Serien geschaut haben, die wir eigentlich schon nach der Pilotfolge nur noch semi interessant fanden. Spätestens jetzt stellt sich Unwohlsein ein, innere Unruhe, Unzufriedenheit.

Der Körper ist schwer, der Kopf wie benebelt, irgendwie hatten wir so viele Pläne, so viel Heißhunger auf Freizeit und Vergnügen und am Ende trotzdem keine Kraft, wirklich etwas zu unternehmen. Fernsehen ist halt doch die leichteste Form der Beschäftigung, wir müssen nicht nachdenken, uns nicht bewegen, können nebenbei soziale Kontakte über das Smartphone pflegen und vor allem müssen wir uns einfach mal um nichts kümmern (außer darum, milde unterhalten zu bleiben und gelegentlich den Kanal oder den Snack zu wechseln).

Klingt eigentlich ganz nett, wäre da nicht das schlechte Gewissen, das sich wenige Stunden vor der neuen Arbeitswoche in den altbekannten Sonntags-Blues verwandelt. Ein melancholischer Song über die Möglichkeiten eines scheinbar verschwendeten Wochenendes.

Leiden wir unter Wohlfühl-Stress?

Eigentlich sind wir bestens darüber informiert, was uns angeblich gut tut. Lange Spaziergänge, Zeit in der Natur, mindestens fünf verschiedene Obst- und Gemüsesorten täglich, viel Wasser trinken, sich mit lieben Menschen umgeben, ausreichend schlafen, nicht zu viel Zucker und mindestens zwei Mal die Woche so richtig schwitzen. Warum fällt es uns trotzdem schwer, selbst die einfachsten Wohlfühl-Tipps umzusetzen? Denn obwohl wir wissen, dass uns der Gang ins Fitness-Studio gut tun würde, landen wir im Endeffekt auf der Couch und schaffen es vielleicht gerade so, den Haushalt zu schmeißen. Irgendwie haben wir keinen Nerv, aktiv etwas für unser Wohlbefinden zu tun. Ja, manchmal stressen uns die guten Ratschläge sogar. Fast möchten wir uns in einem Akt der inneren Rebellion gegen die Wohlfühl-Industrie auflehnen und demonstrativ nur noch unserem Dasein als faule Socke frönen.

Laut einer Studie sind 75% der Menschen am Sonntag Stubenhocker. Verdient hätten es mindestens 100%, denn nach einer vollen Arbeitswoche sehen wir uns vor allem nach einem: Nichtstun. Doch wer eine volle Woche mit einem leeren Wochenende kontert, kann schon mal in das Loch zwischen beiden Extremen fallen. Wir möchten ein paar Tipps geben, wie man den Wechsel sanft gestalten kann und gesunde Alternativen zum Serienmarathon entwickelt.

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Tipp 1: Ein gesundes Gleichgewicht herstellen

Meine Mutter arbeitet in der Pflege - ohne Frage ein herausfordernder Job, sowohl körperlich als auch mental. Täglich trägt sie die Verantwortung für das Wohlbefinden anderer Menschen, hört persönliche Geschichten, erfährt von tragischen Schicksalen, arbeitet, um Leben zu erhalten, ist im schlimmsten Fall Zeugin von Tod.

Privat kümmert sie sich um ihre Familie, um die Katze, geht joggen, kocht sich selbst frische Mahlzeiten, trifft Freunde und besucht am Wochenende den einen oder anderen Workshop, um sich weiterzubilden. Letztens sagte sie mir, sie habe ein schlechtes Gewissen, da sie in ihrer Freizeit am liebsten faul auf der Couch liege.

Während ich meiner Mutter noch mehr faule Tage auf der Couch wünsche, wurde ich mir eines generellen Problems bewusst: Vielen von uns ist schlicht die gesunde Balance zwischen Ruhe und Aktivität im Alltag abhanden gekommen. Nicht selten haben wir zwei oder mehr Termine unter der Woche, meist direkt nach der Arbeit, der Business-Lunch gar nicht mit eingerechnet. An einem weiteren Abend nehmen wir uns vor, Sport zu machen, einen anderen Abend möchten wir mit dem Partner verbringen. Plötzlich ist Samstag, aber die Batterien sind leer und die Couch der attraktivste Zufluchtsort, um sich aufzutanken.

Dabei würde es sicherlich gut tun, einfach mal raus zu kommen und zwischen Freitag und Montag wenigstens ein Erlebnis zu haben, das uns den Kopf leer pustet.

Unser Tipp: Auf ein gesundes Gleichgewicht im Alltag achten. So beginnen wir das Wochenende nicht völlig ausgelaugt, haben mehr Energie und vor allem Muße, uns um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Auch dabei geht es um das rechte Maß: fernsehen ist kein Verbrechen an unserer Gesundheit und es spricht absolut nichts dagegen, einen Abend zu Hause zu gammeln oder mal wieder einen Filmabend mit Freunden oder der Familie zu organisieren (immerhin die ideale Aktivität für alle Serien-Junkies und Couch-Potatoes).

Vor allem aber sollten wir lernen, uns auch unter der Woche mehr Raum zum Entspannen zu geben, Termine auch mal abzusagen, den Besuch im Fitness-Studio zu canceln. Körper und Geist werden sich spätestens Samstagabend mit ein bisschen mehr Elan bedanken.

Tipp 2: Langeweile auch mal zulassen

Langeweile scheint heutzutage fast gefährlich zu sein. Zumindest reagieren wir darauf oft mit Nervosität, Unruhe und dem Gefühl, sofort etwas tun zu müssen, um dem entgegenzuwirken. Langeweile ist für viele Menschen tatsächlich schwer auszuhalten, noch dazu haben wir es so einfach wie nie, sie zu beseitigen. Egal, ob wir auf die U-Bahn warten, zu früh zu einem Treffen erscheinen oder gerade das Nudelwasser aufgesetzt haben, das Smartphone hilft uns, jede noch so langweilige Minute in einen Moment der geistigen Beschäftigung zu verwandeln.

Wer sich noch an die Zeit vor dem Smartphone erinnert, weiß, dass genau in solchen Momenten neue Ideen entstehen können. Grandiose Einfälle, kreative Geistesblitze oder auch die eigene Intuition melden sich vor allem dann, wenn das Gehirn im Leerlauf ist. Vielleicht merken wir erst dann, dass wir eigentlich gar keine Nudeln wollen oder spüren ganz deutlich das Bedürfnis nach frischer Luft. Unser Tipp: Langeweile einfach mal zulassen. Wer gar nichts mit sich anzufangen weiß, kann in solchen Momenten wunderbar das Meditieren üben.

Einfach hinsetzen, Augen schließen und nichts tun, außer die eigenen Gedanken beobachten, die Unruhe, den Drang, etwas tun zu wollen. Welche Gedanken halten uns beschäftigt? Was drängt sich in den Vordergrund? Was zeigt sich in der Langeweile? Oft genau das, was wir im hektischen Alltag schlucken, verdrängen, nicht angucken wollen. Lasst uns einen Raum schaffen, in dem wir der Langeweile einfach mal zuhören, denn sie hat ihre ganz eigene Geschichte. Vielleicht hören wir auch unseren eigenen Anspruch heraus, immerzu beschäftigt sein zu müssen. In diesem Fall dürfen wir unser inneres Arbeitstier in den Arm nehmen. Und zum Nudelessen einladen.

Tipp 3: Multitasking!

Normalerweise sprechen wir uns gegen Multitasking aus. Und das nicht ohne Grund. Mittlerweile ist gut belegt, dass unsere Leistung und Produktivität erheblich darunter leiden, wenn wir zu viele Dinge gleichzeitig erledigen wollen. Diese Regel möchten wir jetzt etwas lockern und für mehr Multitasking während der Freizeit plädieren! Das kann uns helfen, wenn wir uns zwischen Haushalt, Sozialleben und Fernsehen entscheiden müssen. Schon oft habe ich die Frage gehört, wann ich denn eigentlich Zeit hätte, um Podcasts zu hören. Ganz einfach: Während ich putze!

Meine liebste Sonntags-Aktivität ist seit Jahren Podcast hören und dabei aufräumen. Die eigenen vier Wände muss ich sowieso sauber halten, warum nebenbei nicht noch was lernen? Noch ein Tipp: Leichte Unterhaltung und Körperübungen verbinden. Jeder kennt Serien, denen man keine 100%ige Aufmerksamkeit schenken muss. Serien, die keine tiefgründige Handlung verfolgen, sind der ideale Soundtrack für ein paar leichte Übungen, wie zum Beispiel Schulterkreise oder auch Balanceübungen, bei denen man einen Punkt im Raum fixieren soll (zum Beispiel die Baumübung aus dem Yoga).

Wenn das bewegte Bild zu stark ablenkt, kann ein Hörbuch eine gute Alternative sein. Auch Übungen mit der Faszienrolle lassen sich wunderbar ausführen, während man einer spannenden Geschichte oder Nachrichten aus aller Welt lauscht. Und für alle Stubenhocker, die sich trotzdem nach Kontakt sehnen: Findet einen Stubenhocker eures Herzens und vereinbart eine Kochsession über das Telefon!

Einfach anrufen, Lautsprecher einschalten und gemeinsam schnippeln, braten, speisen - oder einfach nur Nudelwasser aufsetzen.

Wie ihr seht, haben auch wir kein geheimes Wohlfühlrezept, das den Sonntags-Blues in ein fröhliches Liedchen verwandelt. Trotzdem möchten wir euch an die kleinen Stellschrauben des Alltags erinnern, die wir ab und zu bedienen können, um aktiv etwas für unser Wohlbefinden zu tun. Manchmal ist das ein Serienmarathon, manchmal ein Sonntagnachmittag in der Natur.

Vor dem Sonntags-Blues können wir uns aber nur schützen, wenn wir dauerhaft mehr Balance in unser Leben bringen, sodass es uns weder vor dem Montag graut, noch ein schlechtes Gewissen verursacht, wenn wir das ganze Wochenende im Bett verbringen. Extreme sind immer anstrengend, lasst uns also lieber Entspannung kultivieren, Schritt für Schritt, Tag für Tag.

Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:


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