Zukunft gestalten Teil 3: Ins Lernen kommen

In unse­rer drei­tei­li­gen Kolumne berich­tet unsere Mind­ful­ness Bot­schaf­te­rin Viola über ihre Erfah­run­gen mit der Berufs­fin­dung. In Teil 3 geht’s um das Lernen im Praktikum.

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Von Viola Münch

Was macht ein gutes Praktikum aus?

Erfahrungen für den weiteren beruflichen Weg

Im ersten Teil der Kolumne ging es darum, sich die Fragen “Was will ich wirklich” und “Was kann ich geben” zu stellen, um den für sich passenden Job zu finden. Ich habe mir allerdings die Illusion aufgebaut, dass ich damit alles in der Hand hätte. Nur weil wir uns einen Job nach bestem Wissen und Gewissen aussuchen, bewahrt uns das nicht davor, auch andere als die gewünschten Erfahrungen zu machen.

Ich habe in Teil 1 auch geschrieben, dass es keine feststehenden Antworten auf diese Fragen gibt, sondern diese sich im Laufe unseres Lebens verändern. Eine Praktikumsstelle ist also nicht nur dann eine gute Praktikumsstelle, wenn ich sie ehrlich ausgewählt habe, sondern vor allem dann, wenn ich aus den Erfahrungen etwas für mich und meinen weiteren beruflichen Weg mitnehmen kann: Passt diese Arbeit zu mir? Was fällt mir leicht, was schwer? Was liegt mir, was nicht? Worin gehe ich auf? Was ist mir wichtig?

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Leisten vs. Lernen

Im zweiten Teil der Kolumne habe ich darüber geschrieben, wie ich die unsichere Anfangszeit angegangen bin - um Anzukommen. Letztendlich ging es aber immer wieder darum, “ins Arbeiten zu kommen”, produktiv zu werden, etwas zu leisten. Ich habe dabei vergessen, dass es bei diesem Praktikum zu keinem Zeitpunkt ums Leisten ging - es ging und geht ums Lernen!

Ich bin in eine Falle getappt, die sicher einige kennen: Im Praktikum fühlen wir uns dankbar, dass wir überhaupt hier sein dürfen. Die eigentliche Idee hinter dem Konzept “Praktikum” ist weit weg vom allseits bekannten Leistungsgedanken. Wir “faulen Studierenden” fühlen uns, als fielen wir zur Last, als seien wir in einer Bringschuld. So entwickeln wir die Tendenz, alle Aufgaben zu übernehmen und keine klaren Grenzen zu setzen.

Mir ist aufgefallen, dass ich sogar gedanklich eine (wahrscheinlich verzerrte) “Geben-Nehmen-Strichliste” führe. Damit stecken wir weder für uns, noch nach außen einen klaren Erwartungsraum ab und begeben uns in eine fragliche (wir verkaufen uns unter Wert) und für beide Seiten uneindeutige Position.

Das Praktikum als Ort des Lernens

Die eigene Erwartungshaltung

Ich habe mein Praktikum ausgewählt, weil ich für mich Chancen des Wachstums gesehen habe (anderes Land, fremde Sprache, neue Branche, andere Arbeitskultur, andere Aufgaben). Möglichkeiten der Weiterentwicklung in einem Praktikum zu erkennen, sind eine wichtige Basis, wenn unser Praktikum ein Ort des Lernens sein soll. Doch das alleine bildet noch kein stabiles Lernumfeld. Denn ein herausforderndes Praktikum stellt für unseren Organismus eine unsichere Situation dar, woraufhin dieser Alarm schlägt.

Ungewisse Situationen waren in der Steinzeit lebensbedrohlich und daher war es lebensrettend, mit erhöhter Aufmerksamkeit zu reagieren und Unsicherheit möglichst schnell in Sicherheit zu verwandeln - kein idealer Zustand, um zu Lernen. Typische Reaktionen sind “fight” (Der Versuch, Sicherheit durch Angriff herzustellen), “freeze” (Der Versuch, Sicherheit durch Vermeidung herstellen) oder “fawn” (Der Versuch, Sicherheit durch Gefallen und Unterwerfung herzustellen). Ich persönlich habe die Tendenz, mich häufig herausfordernden Situationen auszusetzen und die Erwartung an mich selbst, diese dann perfekt meistern zu müssen. So wird übrigens die “flight”-Reaktion beschrieben: Der Versuch, Sicherheit durch Perfektion und Leistung herstellen.

All diese unbewusst ablaufenden Reaktionen sind angstgetrieben und nicht angemessen, da wir uns nicht in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Wir suggerieren uns selbst Sicherheit, indem wir Kontrolle ausüben. Doch in Wirklichkeit umgehen wir damit die Situation, in der wir wachsen könnten. Dennoch ist es für das Lernen im Praktikum wichtig, dass wir in eine gewisse Sicherheit kommen. Meine Körperreaktionen zu verstehen, hat mir geholfen, Verständnis und Mitgefühl für mich selbst aufzubringen, aber auch meine eigene Erwartungshaltung anzupassen. Ich habe mich bewusst von dem Gedanken freigemacht, produktiv werden zu müssen. Ich habe die Angst aufgelöst und durch Vertrauen ersetzt: Vertrauen in meine Entscheidungen. Vertrauen in meine Fähigkeiten. Vertrauen, dass ich die Erfahrung machen werde, die ich brauche. Vertrauen, dass ich das Richtige zum richtigen Zeitpunkt lernen darf.

Meine eigene Erwartungshaltung rührt auch aus früheren Erfahrungen. Bei vergangenen Praktika oder Traineeprogrammen wurde ich durch meine Herangehensweise schnell zu einer wichtigen (und günstigen) Arbeitskraft. Auch deswegen, weil es immer zu viel Arbeit für zu wenig Personal gab. Mit dieser Erfahrung bin ich sicher nicht alleine. “Erfolg” damit gehabt zu haben, macht es mir heute nicht einfacher, mein eigenes Verhalten zu ändern.

Die fremde Erwartungshaltung

Durch die bewusste Auswahl meines Praktikums habe ich mir selbst eine starke Basis geschaffen: Das für mich passende Unternehmen, mit dem für mich passenden Zweck, in dem das Lernumfeld, das ich mir für ein Praktikum wünsche, gegeben ist. In meinem aktuellen Praktikum werde ich nicht als zusätzliche Arbeitskraft gesehen. Jede Stelle ist besetzt, ich bin kein Glied in einer Kette. Ich kann nebenher laufen, mir die “Kette” von außen anschauen.

Vergangene Erfahrungen, die ich gemacht habe, als ich Entscheidungen nach einem anderen Maßstab getroffen habe, auf dieses Unternehmen zu übertragen, ist einerseits nicht förderlich für meinen Lernerfolg. Zum anderen stelle ich mich damit über diese Personen. Ich gestehe ihnen nicht zu, selbst zu entscheiden, welche Erwartungen sie an mich haben. Ich glaube nicht dem, was sie sagen (“Du bist hier willkommen”), sondern dem, von dem ich denke, das sie es denken (“Die lässt sich hier aushalten”), während sie etwas anderes kommunizieren - eigentlich ziemlich anmaßend.

Es gibt sicher die unterschiedlichsten Gründe, ein Praktikum anzubieten. Da ich nun gelernt habe, dem zu glauben, was Menschen kommunizieren, konnte ich einen neuen Blick auf die Erwartungshaltung meiner Arbeitgebenden bekommen: Sie unterstützen mich und meinen Weg, der mit ihnen resoniert, gerne und wollen mich empowern und inspirieren. Sie wollen mir ihre Welt zeigen, sodass ich einen Einblick bekomme. Sie wollen sehen, wie ich in ihre Welt passe. Sie schätzen den Blick von außen, meine Sichtweise auf die Dinge. Vor allem wollen sie ihr Wissen, ihre jahrelange Erfahrung weitergeben: Ihre Art und Weise, ein Hotel zu führen, ihre Herangehensweise an Entscheidungen. Es ist ihnen wichtig, mir zu zeigen, dass es auch funktionieren kann, wenn man entgegen der Norm handelt, was es heißt, innovativ zu sein und auch im Business auf sein Herz und seine Intuition zu hören.

Was ich lerne

Ich lerne, dass es im Praktikum ums Lernen geht. Ich lerne, dass der Gedanke, etwas leisten zu müssen, meiner eigenen, und nicht (mehr) der fremden, Erwartungshaltung entspringt. Ich lerne, meinem Weg, der mittlerweile auf einer starken Basis aufbaut, zu vertrauen.

  • Ich lerne, dass ich bereits in meinen größten Unsicherheiten etwas gelernt habe - und das trotz (oder wegen?) meines Schlüsselbeinbruchs: Ich habe erlebt, wie man eine Verbindung zu Menschen aufbauen und zusammenarbeiten kann, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen.

  • Ich habe gelernt, dass es nicht nur den “deutschen” Weg gibt, Dinge anzugehen, sondern spontan Lösungen zu finden.

  • Ich habe gelernt, dass es Menschen gibt, die diese Vorgehensweise tatsächlich besser finden.

  • Ich habe gelernt, dass dies dazu führt, mehr im Hier und Jetzt zu sein, anstatt sich ständig mit Dingen zu beschäftigen, die eventuell in der Zukunft eintreten könnten.

Ich lerne das, was ich lernen wollte - das wofür ich hier bin: Der Gründer des Hotels sagte zu mir: “Wir sollten aktuell keine Leihbikes aus der Vorsaison verkaufen, weil wir nicht wissen, wann wir aufgrund der aktuellen Lage neue Fahrräder bekommen. Jetzt hat mir die Mutter eines Jungen geschrieben, der unbedingt ein Fahrrad von uns haben möchte. Er will nur eines, das hier an diesem Ort war, weil dieser Ort für ihn besonders ist. Er will unser Fahrrad - nicht des Fahrrads wegen, sondern des Ortes wegen. Das ist alles, was ich je mit diesem Ort erreichen wollte. Soll ich ihm das Fahrrad jetzt nicht verkaufen?” - Eine Frage, auf die es in der BWL-Vorlesung eine klare Antwort gäbe. Ich glaube, ich bin an einem ganz besonderen Ort des Lernens und das ist etwas, das sich auf keiner Geben-Nehmen-Strichliste der Welt bemessen lässt.

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass dir diese Kolumne gefallen hat, du dich in den ein oder anderen Gedanken oder Situationen wiedergefunden hast und etwas für dich mitnehmen konntest. Ich wünsche dir für deine Zukunftsgestaltung eine gesunde Mischung aus Reflektion, Achtsamkeit und Vertrauen. Vor allem: Genieße den Weg!


Über die Auto­rin: Ich bin Viola, 26 Jahre alt und Mas­ter­stu­den­tin im Stu­di­en­gang ​“Sport­wis­sen­schaft: Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung und Manage­ment” an der Uni Bie­le­feld. Zusam­men mit einem wun­der­ba­ren deutsch­land­weit ver­teil­ten Team an 7Mind Mindfulness-Botschafter:innen darf ich im Rahmen des Campus Coach Pro­gramms Acht­sam­keit und Medi­ta­tion an die Unis und Hoch­schu­len brin­gen.

Bild: Priscilla Du Preez auf Unsplash

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