Warum es so gut tut, gehört zu werden

Jeder kennt das gute Gefühl, sich etwas so richtig von der Seele zu reden. Negative Emotionen sieht man danach oft in einem ganz anderen Licht. Darum wirkt ein Gespräch wie ein Pflaster für die Seele.

Gastbeitrag von Mark Goering, klinischer Psychologe und Entwickler der App Moodpath.

Zur Psychologie des Redens und Gehörtwerdens

Sich "etwas von der Seele reden" ist nicht nur eine gängige Redewendung, sondern hat tatsächlich eine messbare Wirkung. So konnten Forscher der University of California in einer Studie zeigen, dass Personen, die eine negative Emotion mit einem Begriff verbanden, also beispielsweise Wut als solche benannten, nachweislich ihre negative emotionale Reaktion abschwächten. In dem Experiment bekamen die Probanden Gesichter von ängstlichen oder wütenden Gesichtsausdrücken zu sehen. Ein sogenannter Magnetresonanztomograf zeigte auf, dass dabei die Amygdala aktiviert wurde. Sie ist eine wichtige emotionale Schaltstelle, die vor allem bei der Verarbeitung von Angst beteiligt ist. Als die Probanden den Gesichtsausdrücken aber einen Namen gaben, ging die Aktivität dieses Bereiches merklich zurück.

Die positive Wirkung eines guten Gesprächs ist immer Ausdruck der Befriedigung eines zentralen Grundbedürfnisses nach Bindung und Nähe. Die Empathie des Gegenübers und das Gefühl, gehört und verstanden zu werden, wirkt sich unmittelbar positiv auf uns Menschen aus.

Warum Achtsamkeit im Gespräch wichtig ist

Achtsame Gespräche – also Gespräche in denen man bewusst im gegenwärtigen Moment des Gespräches bleibt und offen für alle Eindrücke und Gedanken ist, die auftauchen – können helfen, unsere Situation, Stimmungen, Gefühle und Gedanken zu reflektieren.

Nicht selten können wir über die Spiegelung anderer Rückschlüsse über uns selbst ziehen. Wenn wir bereit sind, offen und wertfrei den Reaktionen von Familie oder Freunden zu begegnen, können wir besorgte oder kritische Stimmen als wichtige Alarmzeichen erkennen und darauf reagieren. Ein großes Problem im Bereich der mentalen Gesundheit ist nicht selten, dass bei Betroffenen das kritische Reflektieren von Gesprächen nicht einwandfrei funktioniert und sie sich nicht bewusst sind oder es sich nicht zugestehen wollen, dass sie Hilfe brauchen.

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Ab wann ist eine Stimmungsschwankung mehr als eine schwankende Stimmung?

Ein Merkmal dafür, dass negative Gefühle und Unwohlsein für mehr als eine normale Stimmungsschwankung sprechen, ist ein diffuses, inneres Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Als hätte jemand einen grauen Filter über die Welt gelegt. Bewährte Strategien, mit denen die Person sonst schlechte Phasen überstanden hat, reichen nun nicht mehr aus. Die Anforderungen des Alltags wachsen über den Kopf. Oft geht damit eine allgemeine Antriebslosigkeit einher: Tätigkeiten, die sonst Freude bereitet haben, machen keine Spaß mehr. Betroffene ziehen sich zurück, unternehmen kaum noch etwas und auch die sozialen Kontakte leiden. Und genau dann brauchen sie Bezugspersonen, die Verständnis für die Situation aufbringen: sei es der beste Freund oder der Bruder, sei es die Schwester oder die Mutter. Den Satz “Jetzt reiß dich doch mal zusammen” gilt es zu vermeiden. Manchmal ist das Leiden der Betroffenen so groß und die Situation so festgefahren, dass die betroffene Person professionelle Hilfe benötigt. Die Suche nach einem Therapieplatz können Freunde und Angehörige unterstützen.

Die Psychotherapie basiert auf dem Prinzip des Redens und Gehörtwerdens

Eine Therapie eröffnet für einen Hilfesuchenden einen Raum, in dem er und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Das Gegenüber, der Therapeut, stellt seine eigenen Bedürfnisse komplett zurück und widmet sich mit voller Aufmerksamkeit und Empathie dem Betroffenen. Betroffene empfinden es meist schon emotional entlastend, wenn da jemand ist, der unvoreingenommen aufnimmt, versteht und zuhört. Durch einen wahrgenommenen „Helfer“ im Hintergrund werden Situationen meist als kontrollierbarer empfunden, auch ohne, dass die Person wirklich etwas tut. So ähnlich wie bei einem Kind, dem es leichter fällt etwas zu schaffen, wenn jemand zuschaut.

Einen „Zeugen des Leidens“ zu haben, kann einem das Gefühl geben, einen Teil der Last abzugeben. Psychotherapeuten und Seelsorger beschreiben nach Therapiestunden nicht selten ein Gefühl der Erschöpfung – als hätten sie einen Teil der Sorgen ihrer Patienten eine Zeitlang konserviert. Unangenehme Gefühle wie Trauer, Angst oder Hilflosigkeit zu unterdrücken, kostet Energie. Ein bisschen wie bei einem Luftballon, den man unter Wasser zu halten versucht. Das geht, ist aber anstrengend. Indem man "alles rauslässt" und darüber spricht, verlieren die negativen Emotionen deutlich an Intensität.

Können Smartphones auch zuhören?

Studien aus dem Bereich der Online-Therapie zeigen, dass ein Teil des Phänomens des Gehörtwerdens auch technisch, beispielsweise durch Chat-Oberflächen, abgebildet werden kann. Vor allem als erste Bestandsaufnahme der mentalen Gesundheit können Smartphone-Apps als Tool zur Beobachtung von Symptomen genutzt werden. Auch wenn natürlich die individuelle Betreuung durch einen ausgebildeten Psychotherapeuten auf absehbare Zeit nicht durch eine künstliche Intelligenz ersetzt werden kann, sind positive Effekte von automatisierten Programmen belegt. Digitale Apps und Programme nehmen also, neben der klassischen face-2-face Therapie, eine immer wichtiger werdende Rolle in der Versorgung ein.

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Die von Mark Goering und seinem Team entwickelte App Moodpath testet 14 Tage lang das mentale und körperliche Wohlbefinden der Nutzer. Mit Abschluss des Depressions-Screenings erhält man einen elektronischen Arztbrief. Die kostenlose App wurde bereits über 100.000 mal heruntergeladen.

(Foto: Daniela Rey auf Unsplash)

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