Und jetzt zu dir: 7 Fragen an Coachin Svenja Haus
Wir haben Menschen in Deutschland gefragt, was sie in Zeiten der Krise beschäftigt. Das Ergebnis: 7 Antworten, die in der Distanz Verbundenheit schaffen.
Eine Reihe von Daniela Obers
Wir möchten euch in unserer neuen Reihe einige der vielen Helden des Alltags in der Corona-Krise vorstellen. Welchen Herausforderungen stellen sie sich gerade tagtäglich und welche Lösungen haben sie in der neuen Normalität für sich gefunden? Vielleicht können wir ja noch etwas voneinander lernen. Oder uns auch einfach nur einander näher fühlen.
Die neue Normalität für Coachin Svenja
Heute stellen wir euch Svenja Haus vor. Die 30 jährige ist ausgebildete Coachin und arbeitet bei Coachhub als Head of Coaching.
Was ist aktuell deine größte Herausforderung und was lernst du aus ihr?
Die größte Challenge für mich ganz persönlich aktuell ist es, Abwechslung und Dankbarkeit in meinen Home Office Alltag zu bringen. Wenn der Tag so schnell vorbei geht (Zoom Meetings im 30 Minuten Takt), dann fliegt die Zeit und die Energie nur so. Daher versuche ich ganz bewusst, die Nähe zur Natur zu suchen, mich zu erden und die kleinen Dinge im Leben zu zelebrieren. Im Beruf finde ich es herausfordernd, die Verbindung zu meinem Team und KollegInnen zu halten und trotz physischer Distanz gedanklich beieinander und füreinander da zu sein. Besonders schön finde ich es, wie kreativ die Menschen dabei werden und einfach immer irgendwie weiter machen. Beispielsweise haben wir ein lang ersehntes Team Event aufgrund der aktuellen Lage immer wieder aufgeschoben. Irgendwann haben wir jedoch gesagt: “Wir machen das jetzt trotzdem - nur etwas anders”. Letzten Endes haben wir alle eine Einkaufsliste bekommen und wurden per Video Call durch ein Rezept für super leckere Tacos geführt und hatten viel Spaß beim gemeinsamen Kochen. Danach haben wir noch Spiele gespielt und lange zusammen gesessen - alles komplett remote. Was lehrt mich das? Es gibt immer eine Lösung!
Welches Buch, welcher Podcast, welche Serie oder welcher Song hat dich durch die Krise bisher begleitet?
Tatsächlich habe ich mir zusammen mit meinem Mann relativ zu Beginn dieser Zeit eine “Happy Corona Times”-Playlist bei Spotify angelegt. Diese beinhaltet nur Gute Laune Songs, zu denen man einfach tanzen muss und die vor allem Hoffnung und Positivität verbreiten. Darauf findet sich z.B. “Don’t you worry ‘bout a thing” von Stevie Wonder aber auch “Himmelblau” von den Ärzten wieder - ein bunter Mix also. An Serienmaterial haben wir ebenfalls alles aufgebraucht, was Netflix, Amazon Prime und sogar Disney Plus zu bieten hatten. Darunter u.A. Better Call Saul, Killing Eve, Suits (zum zweiten Mal) und ein paar Disney Klassiker aus der Kindheit - exzessives Binge Watching, wie es im Buche steht. Im Punkto Bücher ging es etwas seriöser zu - hier zieht es mich meist doch eher zur Fachliteratur. Eins meiner neuen Schätze heißt: “Helping people Change” von Richard Boyatzis und beschäftigt sich mit Forschungsergebnissen und Coaching Techniken, die Menschen dabei unterstützen, ihre Ziele nachhaltig zu erreichen. Im Bücherstapel gleich darunter liegen dann noch “Creating a Coaching Culture” von Peter Hawkins und “Radical Candor” von Kim Scott. Darüber hinaus hat mich vorallem mein Lieblingskochbuch von Anna Jones durch diese Zeit begleitet und mir wieder bewusst gemacht, wieviel Freude ich am Kochen habe.
Achtsam mit Veränderung umgehen durch Meditation:
7Mind kostenlos startenWie hältst du trotz social distancing Kontakt? Und wie fühlt sich das für dich an?
Ehrlicherweise bin ich zu Beginn sehr unsozial gewesen und habe mich zumindest privat kaum mit anderen zum Telefonieren verabredet. Ich hatte irgendwie keine Energie und Kraft - wenn man beruflich bereits den ganzen Tag in Video Calls hängt. Nach und nach habe ich mich dann mit Freunden auf einen virtuellen Aperol Spritz getroffen oder einfach mal die Video Kamera angemacht, um sich ein bisschen näher zu sein. Dieser Effekt war immer dann besonders wirkungsvoll, wenn man sonst mit diesen Menschen nur per Telefon gesprochen hat (z.B. meine Eltern). Auch das Ausmaß und die Häufigkeit von Sprachnachrichten hat zugenommen, obwohl ich eigentlich überhaupt kein Fan davon bin. Ich fand es immer albern, wenn Leute auf der Straße laufen und halbe Romane in ihr Handy diktieren. Aber wenn ich eine Sprachnachricht bekommen habe, habe ich gemerkt, dass ich mich so sehr darüber freue, die Stimme des anderen zu hören. Das macht es nochmal einen Ticken persönlicher, also dachte ich mir - warum nicht? Insofern fühlen sich viele der neuen Kommunikationsformen, sei es nun Video Call oder Sprachnachricht, für uns erstmal ungewohnt an, helfen letztendlich aber doch, den Kontakt aufrecht zu halten denke ich.
Was glaubst du, brauchen wir gerade mehr: Gelassenheit, Disziplin, Dankbarkeit oder Freiheit? Oder brauchst du etwas anderes?
Ich denke, dass wir gerade alles zusammen brauchen. In der Positiven Psychologie gibt es ein Konstrukt, welches sich “PsyCap” (kurz für Psychological Capital) nennt (Luthans, F., & Youssef-Morgan, C. M. (2017)). Dieses beschreibt vier Ressourcen bzw. innere Stärken, die es uns ermöglichen, positiv durch Krisenzeiten zu gehen: Hoffnung, Selbstwirksamkeitserwartung, Resilienz und Optimismus. Damit ist nicht gemeint, mit einer rosaroten Brille durch diese Welt zu gehen und alles schön zu malen, sondern die Fähigkeit, auch in herausfordernden Umständen Chancen zu sehen und diese mit viel Willenskraft und Widerstandsfähigkeit zu ergreifen. Spannend ist dabei die Frage, wie man diese Fähigkeiten entwickeln kann. Häufig erlebe ich diese Frage als eines der aktuellen Fokusthemen im Coaching, denn hier drauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Im systemischen Coaching geht man grundsätzlich davon aus, dass wir all das, was wir für die Lösungsfindung benötigen schon in uns tragen. Das Coaching kann dann dabei helfen dieses etwas zu identifizieren und zu aktivieren. Die gute Nachricht lautet also: Wir besitzen schon alles, um resilient, optimistisch, hoffnungsvoll und selbstwirksam durch diese Zeit zu gehen. Jetzt gilt es nur noch seinen Fokus richtig zu setzen und neue Perspektiven zu erkunden.
Was bedeutet Achtsamkeit für dich persönlich und wie praktizierst du?
Achtsamkeit und ich sind manchmal ein bisschen wie der JoJo Effekt einer Diät bzw. einer gesunden Ernährungsweise. Auch wenn ich weiß, wie wirkungsvoll Achtsamkeit ist und wie gut es mir tut, schaffe ich es nicht immer, sie umzusetzen. Vor Allem mit dem Meditieren tue ich mich schwer. Ich habe irgendwann für mich rausgefunden, dass Achtsamkeit nicht gleich Meditieren bedeutet, sondern vielmehr eine Haltung beschreibt, wie ich durch das Leben gehen möchte. Ich bin achtsam wenn ich an Blumen im Park rieche, ich bin achtsam, wenn ich Obst und Gemüse einkaufe, ich bin achtsam beim Yoga und in meinen Coachings. Und aktuell nutze ich Achtsamkeit auch gezielt, um all die Emotionen, die gerade so aufkommen, bewusst wahrzunehmen, um mich aktiv entscheiden zu können, wie ich reagieren möchte. Emotionsregulation ist auch bei vielen unserer Klienten eins der Top Themen im Coaching. Häufig merken wir gar nicht, dass unsere Emotionen gerade Polka tanzen und wir realisieren häufig erst später, dass wir gerade auf sie reagiert haben. Zwischen Emotionsauslöser und Reaktion gibt es jedoch viele Zwischenschritte, die wir aktiv wahrnehmen und beeinflussen können - das kann man trainieren wie einen Muskel.
Wenn du eine Botschaft durch das Megafon rufen könntest, was würdest du gerade in die Welt schreien wollen?
Ruhe bewahren, achtsam mit sich selbst und anderen sein und sich auf das Schöne im Leben fokussieren.
Was wünschst du dir, was die Welt aus der Krise mitnimmt?
Ich wünsche mir, dass wir gestärkt aus dieser Zeit raus gehen und diese Zeit als mentales Retreat nutzen konnten. Viele meiner Klienten nutzen diesen Umbruch, um in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, was sie eigentlich wirklich machen wollen. Wie sie sich ihr Leben vorgestellt haben und wo sie im Hinblick darauf aktuell stehen. Insofern gilt es auch hier wieder, diese Zeit als Chance für sich zu erkennen und einmal mental auf Reset zu drücken.
Und nun zu dir: Wie würdest du die Fragen beantworten? Nutze sie gerne als Inspiration für die eigene Reflexion oder stelle sie dir gemeinsam mit einem nahestehenden Menschen. So kannst auch du mehr Verbundenheit in der Krise aufbauen. Nächste Woche kommt ein weiteres Interview, mit neuen Blickwinkeln und Gedanken. Vielen Dank Svenja für deine Einsichten!
Bild: (link: https://unsplash.com/@baraburi text: Bára Buri) auf Unsplash
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