Achtsames Online-Dating in der modernen Welt

Kennst du Unverbindlichkeit, Ghosting und ein Gefühl, dass es immer noch wen besseres da draußen gibt? Erfahre, wie du Online-Dating in der modernen Welt achtsamer gestalten kannst.

von Eva Siem

Wenn wir in der Warteschlange gedankenverloren in einen Swiping-Rausch verfallen oder beim Schreiben mit mehreren Leuten den Überblick verlieren, fragst du dich da auch manchmal, wie wir heutzutage achtsamer daten können? Hier sind ein paar Impulse und Tipps für achtsames Online-Dating.

Die neue Ära des Datings

„Es ist ein ganz anderes Dating“, erzählte eine Freundin kürzlich, als sie nach einer langen Beziehung erstmals Dating-Apps ausprobierte. Die Möglichkeit, beim virtuellen Dating auf unkomplizierte Weise eine Vielzahl von Menschen kennenzulernen und bereits vor dem ersten Kontakt nach Kriterien wie politischer Einstellung, Rauchgewohnheiten, Interessen oder Standort zu filtern, beeindruckte sie. Wieso aus der Jogginghose schälen und rausgehen, wenn der*die Seelenverwandte nur einen Swipe entfernt sein könnte?

Doch mit diesen neuen Möglichkeiten haben sich auch neue Verhaltensnormen etabliert: „Wenn nach zwei, drei Tagen keine Antwort kommt, erwarte ich auch keine mehr“, bemerkte sie. „Es gibt sicherlich noch fünf andere wie mich.“ Die Auswahl erscheint größer, gleichzeitig prägen Unverbindlichkeit, Schnelllebigkeit und niedrigere Hürden für „Ghosting“ (plötzlicher Kontaktabbruch ohne Erklärung) oder Impulsivität ebenso die Szene. Der Instagram-Kanal @tindernightmares offenbart eine bunte Collage absurder Gespräche, die täglich über die Bildschirme unserer Smartphones stattfinden.

Erlebe Verbundenheit zu dir selbst und anderen mit dem 7Mind Meditationskurs „Beziehungen“:

7Mind kostenlos testen

Der Spagat zwischen Bestätigung und Ablehnung

Jeder Swipe, jede Nachricht birgt neue Möglichkeiten, ebenso wie Höhen und Tiefen. Manche swipen womöglich ungefiltert alle Profile einfach nach rechts (was so viel bedeutet wie „Das Profil gefällt mir”), nur um zu sehen, wie vielen das eigene Profil ebenfalls gefällt. Ergeben sich viele Matches, wirkt das für viele schmeichelnd. Doch wenn nicht, oder wenn wir geghostet werden, kann sich genauso schnell ein Gefühl von Ablehnung einstellen.

In einer aktuellen Studie aus 2023 [1] gaben rund zwei Drittel der befragten Tinder-Nutzenden an, eigentlich in einer Beziehung zu sein. Für sie sei die App eine Quelle für Unterhaltung und verleihe durch das Sammeln von Matches einen Selbstbewusstseinsschub. Dating-Apps erfüllen also nicht nur die Funktion, unkompliziert Leute kennenzulernen, sondern für einige auch, schnell und unkompliziert an Bestätigung zu kommen. Oder sie dienen als willkommene Ablenkung, um negative Emotionen (zumindest kurzfristig) zu überschatten.

Und natürlich dürfen wir uns auch ablenken. Doch die Frage bleibt: Tun wir dies bewusst und bleiben wir achtsam mit unseren eigenen und den Bedürfnissen anderer?

Im Swiping-Rausch: automatisiert statt achtsam

Ähnlich wie Social Media Apps sind auch Dating-Apps darauf ausgelegt, uns in ihren Bann zu ziehen [2]. Ein Like, ein Match, eine neue Benachrichtigung – all das kann für einen kurzfristigen Dopaminschub sorgen, der uns motiviert, die App weiter zu nutzen. Der Akt des „Tinderns“ mache sie süchtig, während der Datingaspekt nicht mehr existent sei, teilte eine Nutzerin [3]. Das eigentliche Kennenlernen eines Menschen hinter dem Profil wird so für viele zur Nebensache.

Stattdessen wird automatisiertes Swipen allzu verlockend: In dem Bruchteil einer Sekunde entscheiden wir, ob wir ein Profil mögen oder nicht. Die Entscheidung basiert dabei wohl eher auf Oberflächlichkeiten – der erste Eindruck zählt mehr denn je. Doch hilft dir dieser Modus wirklich dabei, das zu finden, was dir beim Dating wichtig ist?

Achtsamer online daten - wie geht das?

Die Dimensionen des Online-Datings erstrecken sich vom schnellen Swipen bis hin zu persönlichen Treffen im echten Leben. Achtsamkeit kann an vielen Stellen einen Mehrwert bieten. Hier sind einige Impulse, die dich auf diesem Weg unterstützen können:

1. Mach dir dein Ziel bewusst

Zu Beginn der Reise lohnt sich die Frage: „Was will ich eigentlich?“ Mit welcher Erwartungshaltung gehe ich ins Online-Dating? Suche ich eine langfristige Beziehung? Oder unverbindliche Dates für eine Nacht? Oder geht es mir – wenn wir mal ehrlich sind – gar nicht unbedingt darum, neue Leute kennenzulernen? Möchte ich mich eher von schwierigen Gefühlen ablenken oder mich selbstbewusster fühlen?

Selbst wenn du noch keine Antworten auf diese Fragen hast, kann dich alleine die Reflexion aufmerksamer dafür machen, was sich im Prozess gut oder weniger gut anfühlt und so mehr Achtsamkeit in dein Datingleben bringen.

Erlebe Verbundenheit mit dem 7Mind Meditationskurs Beziehung.

7Mind kostenlos testen

2. Kommuniziere deine Bedürfnisse und Grenzen

Damit verbunden sind auch deine Bedürfnisse und Grenzen: Was wünschst du dir? Suchst du nach Nähe, Aufregung, Abwechslung, Verbindung? Was ist dir in der Kennenlernphase wichtig und nach welchen Werten möchtest du leben?

Auf der anderen Seite ist es genauso wichtig zu wissen, womit du dich nicht wohl fühlen würdest. Wenn du dich nach der dritten Spontanabsage hingehalten fühlst oder es dir zu schnell zu intim wird (egal ob emotional oder körperlich), übe dich im Grenzen setzen. Mache dir bewusst, was deine Red Flags sind und welche Grenzen nicht überschritten werden sollen.

Was dir wichtig ist, darf sich im Prozess natürlich ändern. Du kannst dir diese Fragen also immer mal wieder stellen und deine Gedanken und Gefühle beobachten. Wenn du übst zu spüren, was deine Bedürfnisse und Grenzen sind, wird es dir wahrscheinlich leichter fallen zu bemerken, wenn sie überschritten werden oder du dich mit etwas unwohl fühlst - selbst dann, wenn du mal etwas aufgeregt bist.

3. Versetze dich in dein Gegenüber

Wenn wir die digitale Bühne betreten, können wir auch beobachten, wie achtsam wir mit den Bedürfnissen und Grenzen der anderen Person sind. Wie umsichtig gehst du mit anderen um? Wenn du dich in die Lage deines Gegenübers versetzt, wie könnten deine Nachrichten oder Verhaltensweisen aufgefasst werden? Und wie kannst du die Kommunikation aufrichtig und wertschätzend gestalten?

4. Slow Online-Dating

Statt sich abends vor dem Fernseher zum schnellen Swipen verleiten zu lassen, nimm dir bewusst Zeit, um die Profile genauer anzuschauen. Wenn sich ein Match ergibt,spür nach und beobachte deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen. Entscheide erst nach diesem Innehalten, ob du den Menschen kennenlernen möchtest und die weitere Suche vielleicht bis dahin/für's Erste pausierst. So kann sich Online-Dating weniger nach passivem Konsum anfühlen und mehr nach aufrichtigen Begegnungen.

Um automatisiertes Swipen zu unterbrechen, kannst du dir außerdem ein Limit setzen. Einige Forscher:innen empfehlen, nach weniger als 31 Profilen mit dem Wischen aufzuhören, um ein Gefühl von Überforderung durch zu viel Auswahl zu vermeiden [4]. Ansonsten entstehe schnell der Eindruck, “es gebe immer noch wen besseres da draußen”.

Vielleicht möchtest du dabei auch einmal beobachten, nach welchen Mustern du swipst: Welche Kriterien sind für dich entscheidend, um ein Profil nach rechts oder links zu wischen? Vielleicht die zwei Zentimeter Körpergröße oberhalb oder unterhalb der Filtergrenze? Selbstironie im Profiltext? Oder das Bild mit der kleinen Katze? Und wenn du darüber nachdenkst – passen diese Kriterien zu deinem Ziel, deinen Werten und deinen Wünschen?

Achtsamkeit ist also für viele Aspekte des Online-Datings eine wertvolle Grundlage. Und wenn man sich auf eine andere Person einlässt, kann Achtsamkeit auch Zufriedenheit in Beziehungen fördern und uns helfen, mehr bei uns zu bleiben [5]. Denn am Ende ist eine gute Verbindung zu uns selbst das, was uns auch Verbindung zu anderen entwickeln lässt.

Falls du dir mehr Verbundenheit zu dir selbst und anderen wünschst, hör doch mal in unseren Meditationskurs "Beziehung":

7Mind Kurs anhören

Quellen:

[1] Germano Vera Cruz, Aboujaoude E, Rochat L, Bianchi-Demichelli F, Yasser Khazaal. Finding Intimacy Online: A Machine Learning Analysis of Predictors of Success. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking. Published online June 23, 2023. doi:https://doi.org/10.1089/cyber.2022.0367

[2] Jung, J., Umyarov, A., Bapna, R., & Ramaprasad, J. (2014). Mobile as a channel: Evidence from online dating. 35th international conference on information systems “Building a better world through information systems”, ICIS 2014.

[3] Borkin, L. (2015). What I learned from my week-long addiction to Tinder. Hello Giggles. Retrieved on January 16, 2024 from http://hellogiggles.com/tinder-addiction

[4] Thomas MF, Binder A, Matthes J. The agony of partner choice: The effect of excessive partner availability on fear of being single, self-esteem, and partner choice overload. Computers in Human Behavior. 2021;126:106977. doi:https://doi.org/10.1016/j.chb.2021.106977

[5] Khaddouma A, Gordon KC, Bolden J. Zen and the art of dating: Mindfulness, differentiation of self, and satisfaction in dating relationships. Couple and Family Psychology: Research and Practice. 2015;4(1):1-13. doi:https://doi.org/10.1037/cfp0000035

Achtsamkeitsimpuls

Erhalte unsere neuesten Artikel, Achtsamkeitsimpulse und Angebote in unserem monatlichen Newsletter!

*Pflichtfelder

7Mind wirkt positiv. Erfahre mehr.